Die Lampertheimer Stadtteile Neuschloß und Rosengarten verlieren ihre Ortsbeiräte. Müssen diese wichtigen Stadtteilvertretungen deshalb künftig kleiner werden? Sollen wir die unterschiedlichen Listen dort aufgeben?

Schauen wir noch einmal hin, was passiert war. In Neuschloß kündigte die CDU zwei Kandidaten an, die laut Wahlrecht gar nicht aufstellt werden durften; die FDP nannte bei bisher drei Vertretern nur einen Namen – und behielt dieses Problem für sich. Die SPD gewann sieben Leute. In der Summe waren also zehn Neuschlößer zur Mitarbeit bereit, und hätten CDU und FDP rechtzeitig ein Signal gegeben, dass es Schwierigkeiten geben könnte, wären womöglich weitere Frauen und Männer mitgezogen. Im Rosengarten gab es ebenfalls genug Leute; nur verpassten die Freien Wähler den Abgabetermin ihrer Liste.

Das heißt: Die Ortsbeiräte in Neuschloß und im Rosengarten sind nicht gescheitert, weil es an Bürgern fehlt, die sich engagieren – sondern am stümperhaften Vorgehen einiger Listenschefs. Wenn die Zahl der Beiratsmitglieder aber nicht das Problem war, muss man an ihr auch nicht rütteln.

Als mit einem einzigen Mitglied kleinste Fraktion in Neuschloß müsste die CDU ein Interesse daran haben, dass die Gesamtzahl der Sitze nicht sinkt – denn je weniger Vertreter es gibt, desto schneller fliegen Listen mit wenigen Stimmen ganz raus. Genau aus diesem Grund lassen die Wahlvorschriften bis zu neun Leute zu: damit Minderheitenpositionen Gehör finden.

Die CDU riskiert den Rauswurf aus dem Ortsbeirat, weil sie mit der Debatte über kleinere Gremien von ihrem Listendebakel ablenken kann. Das Wahlrecht ist Schuld – nicht die CDU, die es nicht gelesen hat! Deshalb gibt es auch keinerlei Eingeständnis, dass die Union einen gravierenden Fehler gemacht hat.

CDU-Vorsitzender Aidas Schugschdinis sagt im Wortlaut-Interview der Lampertheimer Zeitung trotzig, das landesweit gültige Wahlgesetz habe einen Mangel: „Es kann doch nicht sein, dass zwei unserer Fraktionsmitglieder, die von der Kernstadt nach Neuschloß gezogen sind, dort nicht kandidieren dürfen – weil sie noch nicht sechs Monate dort leben.“ Das kann nicht nur so sein; es ist so – und zwar seit Jahrzehnten und aus gutem Grund: Wer einen Stadtteil vertritt, soll ihn gut kennen.

Ex-Ortsvorsteher Gottlieb Ohl bringt per Presseerklärung eine überparteiliche Einheitsliste ins Gespräch. Das zeigt: Er sieht so wenig Rückhalt in Neuschloß für die FDP, dass er den Ortsbeirat für die Liberalen ganz aufgibt. Aber warum sollten das alle Parteien tun? Als die FDP noch bis vor fünf Jahren eine klare Mehrheit in Neuschloß hatte, forderten die unterlegenen Parteien auch nicht überparteiliche Listen. Und die SPD kann mit Carola Biehal an der Spitze offensichtlich Engagement bei den Bürgern wecken.

Leider fehlen in Ohls Stellungnahme Erläuterungen in der wichtigsten aller Fragen: warum die FDP nicht rechtzeitig zum Wohle der Ortsgemeinschaft über ihr Kandidatenproblem informiert hat. Dann nämlich hätte Neuschloß für den Ortsbeirat kämpfen können. Stattdessen erklärt Ohl, warum er selbst nicht kandidierte: Er hätte dann einem Nachrücker Platz gemacht. „Für ein solches politisches Taktieren zum Wählerstimmenfang bin ich nicht zu haben. Das ist zwar legal, für mich persönlich bedeutet dies aber Betrug am Wähler.“

Aus taktischen Gründen für ein Amt kandidieren, das man gar nicht will – das kommt bekannt vor. Ohl steht auf der FDP-Liste für die Stadtverordnetenversammlung. Nach §65 HGO darf nicht im Magistrat arbeiten, wer in der Stadtverordnetenversammlung sitzt. Bisher arbeitet aber Ohl im Magistrat als Beigeordneter. Wenn er das auch nach der Kommunalwahl tun möchte, müsste Ohl, falls er ins Parlament gewählt wird, von seinem Mandat als Stadtverordneter zurücktreten – und einem Nachrücker Platz machen. So wie vor fünf Jahren schon. Was das nach seinen eigenen Maßstäben heißt, hat Ohl klar formuliert.

Unterm Strich wird deutlich: Mit Ausreden und ablenkenden Debatten werden CDU und FDP kein verlorenes Vertrauen der Neuschlößer zurückgewinnen. Ehrlichkeit und Reue erscheinen eher angemessen. Wie wäre es denn mit einem kleinen Drei-Punkte-Programm? CDU und FDP könnten zunächst ihre schwerwiegenden Fehler bei der Aufstellung der Listen offen zugeben. Und sich dann angesichts der dramatischen Auswirkungen bei den Neuschlößern entschuldigen. Schließlich erscheint die ein oder andere Lesestunde im hessischen Kommunalrecht hilfreich. Wie sehr die Neuschlößer ein solches Programm tatsächlich versöhnlich stimmt, werden sie mit ihren Kreuzchen in der Wahl der Stadtverordnetenversammlung zeigen.

Hinweis: Ein weitgehend identischer Text ist als Leserbrief in der Lampertheimer Zeitung und im Südhessen Morgen erschienen.

Im August 2014 wählte der Neuschlößer Sportclub Kurpfalz einen Ersten Vorsitzenden mit ambitionierten Zielen: Er sprach davon, die Zahl der Mitglieder in zwei Jahren auf 200 zu verdoppeln. Zum Jahreswechsel hat er den Verein nach Angaben von Pressesprecherin Ulrike Back verlassen.

O. griff nicht nur mit den Vereinszielen daneben. Nach einem Bericht der Lampertheimer Zeitung – Titel: „Ende der Märchenstunde“ – verurteilte ihn heute das Amtsgericht zu acht Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewähung wegen Missbrauchs von Titeln und Betrugs. Den Einlassungen vor Gericht zufolge hat O. über das Internet unter Zuhilfenahme erfundener Titel Frauen kennengelernt – und ihnen bald von einer finanziellen Notlage erzählt. Eine Zeugin berichtete laut LZ, von ausgeliehenen 4000 Euro habe sie bis heute keinen Cent gesehen.

Der SC Kurpfalz lädt laut seiner Webseite für Dienstag, 8. März, 19 Uhr, zu einer Mitgliederversammlung in den Bürgersaal am Ahornplatz ein.

Walter Kirsch ist Beisitzer im Wahlausschuss für die Kommunalwahl – und mit der CDU Vorsitzender des Vorstands jener Partei, die es nicht geschafft hat, für den Neuschlößer Ortsbeirat eine gültige Liste einzureichen. Der Südhessen Morgen notiert Kirschs Erklärung nach der Verkündigung, dass es wegen der CDU-Panne in Neuschloß keinen Ortsbeirat mehr geben wird: „Da beide (vorgesehene Kandidaten) innerhalb Lampertheims umziehen, dachten wir, dass das egal ist.“ Nach der Erkenntnis, dass diese beiden Kandidaten nicht gewählt werden können, habe die CDU ihre Liste zurückgezogen. „Offenbar“, fügt Zeitung hinzu, „hat sie es dann aber versäumt, sich darum zu kümmern, ob es dann überhaupt noch genügend Kandidaten für Neuschloß gibt.“

Südhessen-Morgen-Redakteurin Susanne Wassmuth-Gumbel kritisiert die CDU dafür in ihrem Kommentar hart: Ein Bürger, der Politiker „voller Vertrauen in ihre Ämter wählt, darf erwarten, dass sie diese verantwortungsbewusst ausüben und sich vor allem bei einem derart wichtigen demokratischen Vorgang wie einer Wahl über alle geltenden Vorschriften und vorgeschriebenen Fristen informieren und daran halten.“

Auch die FDP kommt nicht gut weg. Die Liberalen haben aktuell drei Mandate – auf ihrer Liste für die nächste Ortsbeiratswahl allerdings nur einen Vorschlag. Es liegt nahe, dass das zu Problemen führen kann. Susanne Wassmuth-Gumbel versteht nicht, dass die FDP darüber nicht die anderen Parteien informierte: „Denn wenn die Parteien jeweils nicht genügend Kandidaten für das Gremium haben, dann müssen sie sich doch eigentlich mit den anderen auch über Parteigrenzen hinweg absprechen, ob es denn zumindest in der Summe reichen wird. Das darf der Bürger auch im Interesse der Ortsgemeinschaft erwarten.“ Nun schauten all jene in die Röhre, „die fleißig waren und ihre Hausaufgaben pünktlich erledigt haben, die, die gerne mitgemacht hätten“ – und die Bürgerinnen und Bürger. Im Übrigen sei in der Lampertheimer Kommunalpolitik „der Wurm drin“.

Im Tip fragt Autor Benjamin Kloos: „War es nicht möglich, nachdem bis kurz vor Weihnachten nicht ausreichend Bewerber gemeldet waren, noch einmal im Rahmen einer Amtlichen Bekanntmachung oder einer Presseinformation auf die prekäre Situation hinzuweisen, um alle Betroffenen zu erreichen?“ Eine Frage, die sich an die Wahlkommission und deren Vorsitzende, Bürgermeister Gottfried Störmer, wendet. Auf Neuschloss.net hatte sich ähnlich schon CDU-Mann Christian Hartmann geäußert, dessen Kandidatur gescheitert war: „Ich finde es schlimm, dass ich als Stadtverordneter das aus der Presse erfahren muss. Wenn man diese Situation rechtzeitig mitgeteilt bekommen hätte, wäre genug Zeit gewesen, das abzuwenden.“

Störmer sieht hier keine Versäumnisse von Verwaltung oder Wahlleiter; die Wahlvorschriften erlaubten es nicht einzugreifen, argumentiert er. Der Tip allerdings erinnert daran, auch bei der Wahl des Ausländerbeirates habe es solche Hinweise gegeben.

Oliver Lohmann kommentiert in der Lampertheimer Zeitung. Der Redakteur gibt den Neuschlößern und den ebenfalls betroffenen Rosengärtnern einen Rat: Sie sollten Kandidaten aus ihren Stadtteilen auf den Listen fürs Stadtparlament ankreuzen, „damit die Vororte dort nicht links liegen gelassen werden.“

Das geht nach dem hessischen Kommunalwahlrecht auf vielfache Weise, wie der Landeswahlleiter ausführlich erklärt.

Wie kann ich meine Stimmen auf dem Stimmzettel verteilen?

Sie können Ihre Stimmen einzeln an beliebige Bewerberinnen und Bewerber vergeben. Dabei dürfen Sie auch Personen aus verschiedenen Wahlvorschlägen (Listen) auswählen; das nennt man „Panaschieren“. Jeder Bewerberin und jedem Bewerber Ihrer Wahl können Sie von Ihren Stimmen eine oder auch zwei, aber höchstens drei Stimmen geben; das Anhäufen von zwei oder drei Stimmen auf eine Kandidatin oder einen Kandidaten nennt man „Kumulieren“. (…)

Kann ich auch nur einen Teil meiner Stimmen einzeln vergeben?

Ja. Sie können auch nur einen Teil Ihrer Stimmen an einzelne Bewerberinnen und Bewerber vergeben. Damit in diesem Fall der Rest Ihrer Stimmen nicht verfällt, können Sie zusätzlich zur Vergabe von Einzelstimmen eine Liste in dem dafür vorgesehenen Kreis in der Kopfleiste ankreuzen.

Mit diesem Listenkreuz bewirken Sie, dass Ihre restlichen Stimmen der angekreuzten Liste zugute kommen: Diese Stimmen werden den Kandidatinnen und Kandidaten der von Ihnen gewählten Liste von oben nach unten in der Weise zugeteilt, dass jeder, der von Ihnen weniger als drei Einzelstimmen bekommen hat, jetzt eine weitere Stimme erhält – bis alle Ihre Stimmen verteilt sind oder alle nicht gestrichenen Bewerberinnen und Bewerber der angekreuzten Liste drei Stimmen haben.

Eine Möglichkeit wäre also, Neuschlößer Kandidaten für die Stadtverordnetenversammlung aus allen Parteien mit jeweils drei Kreuzen mit je drei Stimmen zu versehen – und die restlichen der insgesamt 45 Stimmen mit einem Kreuz oben bei den Parteilisten der Partei der eigenen Lieblingsfarbe. Hier ein Beispiel mit erfundenen Namen:

So helfen Sie bestimmten Kandidaten aus mehreren Listen.
So helfen Sie bestimmten Kandidaten aus mehreren Listen.

Vor fünf Jahren wurde Carola Biehal als Ortsvorsteherin gewählt. Damals sagte sie, es gehe ihr auch darum, auf politischer Ebene die Sanierung der Altlasten auf dem Sodabuckel und im Grundwasser begleiten zu können. Biehal engagiert sich seit Jahrzehnten im Altlastenverein und Projektbeirat, obwohl sie persönlich nicht betroffen ist.

Beim Thema Altlasten bleibt es natürlich nicht. Genauso gründlich beschäftigt sich der Ortsbeirat etwa mit den Verkehrsproblemen vor dem Kindergarten im Wacholderweg, der Geruchsbelästigung durch den Abwasserkanal oder mit Möglichkeiten, gemeinsam mit den Bürgern das Ortsbild von Neuschloß zu verschönern. Und wenn der Stadtteil in einem schlechten Licht dargestellt wird, kann Biehal ausgesprochen deutlich und energisch kämpfen.

Carola Biehal wird vom März an nicht mehr Ortsvorsteherin sein, weil es keinen Ortsbeirat mehr geben wird – und damit auch keine Vorsitzende des Ortsbeirats. Die SPD, der Biehal angehört, hatte ihre Hausaufgaben erledigt und zur Wahl sieben Kandidaten aufgestellt. Von allen anderen Parteien nannte nur noch die FDP einen weiteren gültigen Namen, wie heute bekannt wurde – damit sind es zu wenig Bewerberinnen und Bewerber.

„Entsetzt, maßlos enttäuscht und sehr verärgert“ sei sie über diese „Hiobsbotschaft“, sagt Biehal zu Neuschloss.net. Denn der Ortsbeirat habe gute Arbeit geleistet: „Im Gremium steht und stand immer der Stadtteil und das Wohl der Bürger im Vordergrund, nicht die Partei.“

Dass es in den kommenden fünf Jahren keine politische Vertretung in Neuschloß gibt, sei keine Lösung. „Das ist eine Katastrophe, zumal wichtige Themen wie Grundwassersanierung, Kanalsanierung, Verkehrswege, ICE-Trasse, Verkehrsverbindungen, Lärmbelastung und Flüchtlinge auf der Agenda stehen.“

Nun stelle sich die Frage, wer Ansprechpartner für die Neuschlößer Belange werde: „Der Bürgermeister? Die jeweils zuständigen Mitarbeiter in der Verwaltung?“

Sie könne nur hoffen, „dass Interesse und die Kenntnisse vorhanden sind, um den Stadtteil in der zwingend notwendigen Form zu vertreten.“

CDU-Mann Hartmann kritisiert Wahlkommission

Christian Hartmann.
Christian Hartmann.

Auf der Facebook-Seite von Neuschloss.net nimmt auch Christian Hartmann Stellung. Er sollte laut Parteibeschluss gemeinsam mit seiner Frau für die CDU kandidieren. Er ziehe derzeit aus der Kernstadt nach Neuschloß. Sein Wohnsitz sei aber nicht lange genug im Stadtteil gewesen, um antreten zu können. Es gelte eine Frist von sechs Monaten – „wohlgemerkt innerhalb der selben Stadt! Super Wahlgesetz.“ Das Ergebnis sei „ein Scherbenhaufen“.

Hartmann kritisiert deutlich die Wahlkommission, an deren Spitze Bürgermeister Gottfried Störmer steht: „Ich finde es schlimm, dass ich als Stadtverordneter das aus der Presse erfahren muss. Wenn man diese Situation rechtzeitig mitgeteilt bekommen hätte, wäre genug Zeit gewesen, das abzuwenden.“

Zur Abhilfe müsse man „mindestens nach der Wahl eine Arbeitsgruppe aller Neuschlößer Stadtverordneten einrichten“.

Störmer sucht Alternativen

Bürgermeister Gottfried Störmer.
Bürgermeister Gottfried Störmer.

Bürgermeister Störmer bringt nach einem Bericht der Lampertheimer Zeitung als Alternative zum Ortsbeirat eine Kommission ins Gespräch. Kommissionen tagen allerdings laut Hessischer Gemeindeordnung – im Gegensatz zu Ausschüssen und Ortsbeiräten – nicht öffentlich. Formal sind sie Hilfsorgane des Magistrats, von ihm abhängig und berichten auch an ihn. Auch die SPD Lampertheim fordert „Ortskommissionen als Hilfsorgane des Magistrats“.

Störmer wird weiter zitiert, Informationsabende über Vorhaben der Verwaltung seien ebenfalls möglich. Informationen sind immer gut – aber ersetzen keine Anwohnervertretung. Die Kommunikation muss vor allem anders herum laufen: Nötig ist ein Forum, das die Stimmung und Wünsche aus Neuschloß bündelt und in die stadtweite politische Diskussion führt.

Es klingt wie ein schlechter Scherz, ist es aber leider bittere Realität: In den kommenden fünf Jahren wird es keinen Ortsbeirat in Neuschloß geben. Das ergibt sich aus der Auswertung der eingereichten Listen der Parteien, die der städtische Wahlausschuss am Freitag Vormittag präsentiert hat. Demnach gibt es insgesamt nur acht Kandidatenvorschläge – gefordert sind aber laut Hauptsatzung der Stadt neun. Damit fällt die Wahl des Ortsbeirats aus – und das Gremium wird in den kommenden fünf Jahren nicht zusammentreten. Und folglich kann auch keine Ortsvorsteherin gewählt werden.

Interessant ist, dass die SPD sieben Leute auf ihrer Liste stehen hat, darunter drei neue Namen. Das bedeutet, dass alle anderen Parteien zusammen einen einzigen Kandidaten vorschlagen. Bisher waren noch die FDP und CDU im Ortsbeirat vertreten. Zum Verhängnis wird Neuschloß, dass die CDU diesmal keine gültige Liste vorlegt – und die FDP eine überraschend kurze. Die Grünen sind schon bisher nicht dabei.

Für die CDU sitzt bislang Klaus Schultheiß im Beirat; er wollte nicht mehr antreten. Als Vorschläge für den Ortsbeirat stellte die Partei Ende November Christian Hartmann, der von 2011 an für kurze Zeit als Lampertheimer CDU-Chef arbeitete, und seine Ehefrau Franziska vor. Doch nun gibt es gar keine Liste.

Folglich brachte die FDP nur einen Namen ins Rennen: Gerhard Pflästerer. Auch das überrascht, hatte die FDP doch mit Gottfried Ohl an der Spitze bis vor fünf Jahren sogar die stärkste Liste gestellt. Zuletzt war sie zweitstärkste Fraktion mit Pflästerer, Gertrude Neudecker und Paul Schneider.

Die Ortsbeiräte werden laut Hessischer Gemeindeordnung zeitgleich mit der Stadtverordnetenversammlung gewählt. Das könnte heißen, dass die nächste Chance für einen Ortsbeirat erst in fünf Jahren folgt – es sei denn, die aktuelle Wahl zur Stadtverordnetenversammlung käme nicht zustande oder es käme zu einer Situation, die eine Neuwahl der Stadtverordnetenversammlung nötig machte. Beides scheint wenig wahrscheinlich.

Das ist fatal. Ortsbeiräte haben formal zwar nicht allzuviel zu sagen. Aber dennoch gelten ihre Stellungnahmen im kommunalen politischen Betrieb durchaus etwas. Wichtig sind die regelmäßigen Treffen der Stadtteilgremien auch, weil dort die Verwaltungsspitze oft über größere und kleinere Fragen aus Neuschloß informiert, die auf stadtweiter Ebene untergehen. Und schließlich kann eine starke Ortsvorsteherin oder ein starker Ortsvorsteher den Stadtteil als Person in vielen offiziellen Angelegenheiten kraftvoll vertreten.

Für Neuschloß ist der Ortsbeirat besonders relevant. Denn unseren Stadtteil beschäftigen ja nicht nur kleine Themen. Zur Erinnerung: Wir leben auf Hessens größer bewohnten Altlast. Die Sanierung des Sodabuckels ist fortgeschritten, aber nicht abgeschlossen; die Zukunft der Grundwassersanierung längst nicht gesichert. Außerdem könnten künftig Schnellzüge der Bahn wenige Meter hinter Neuschloß vorbeirauschen. Der Ortsbeirat ist das Gremium, in dem die Informationen aus dem Projektbeirat Altlasten Neuschloß, dem Altlastenverein und der Bila-Inititaive regelmäßig zusammenlaufen und den Weg in die Öffentlichkeit finden.

Zuletzt haben sich zudem die Neuschlößer zunehmend für die Arbeit des Stadtteilgremiums interessiert. Die Zahl der Besucher stieg in den vergangenen Monaten ständig; Ortsvorsteherin Carola Biehal beteiligte die Gäste auch hier und da, soweit das die Vorschriften erlauben. Dass hier ein harter Schnitt entsteht, wird sehr schmerzhaft. Die Gefahr ist groß, dass den Neuschlößern die direkten Ansprechpartner wegbrechen – und dass die Neuschlößer Themen nicht mehr kraftvoll in die stadtweite politische Debatte vordringen. Das wäre ist ein Debakel. Deshalb wird es nun entscheidend werden, alternative Wege zu finden, um eine solche Entwicklung zu verhindern.

Update 1: Auch im Stadtteil Rosengarten wird es keinen Ortsbeirat geben. Hier wurde teils die Einreichungsfrist verpasst. Und das in einer Zeit, in der das Jahrzehnt-Projekt Ortsumgehung in die heiße Phase geht.

Update 2: Lesen Sie Reaktionen von Ortsvorsteherin Carola Biehal, dem CDU-Stadtverordneten Christian Hartmann und von Bürgermeister Gottfried Störmer.

Weitere Berichte: Südhessen Morgen, TipLampertheimer Zeitung.