An der Musik auf der Bühne war es zu erkennen: Stefan Spießberger hatte in diesem Jahr wieder die Organisation des Neuschlößer Adventsmarkts übernommen. Seine jungen Schülerinnen und Schüler boten mit Weihnachtsliedern an Keyboards das Rahmenprogramm – vor zahlreichen stolzen Eltern und Großeltern, die fleißig applaudierten.

Neuschlößer Einrichtungen betrieben einen Teil der Stände – darunter der Sportclub Kurpfalz, die evangelische Johannesgemeinde, Buggy Fit von Sonja Geist im Wacholderweg, Petra Bärwald mit ihrer selbst genähten Kinderkleidung und Familie Castellani samt Pizzaofen. Der kommunale Kindergarten und die Krippe waren diesmal nicht dabei. Dafür weitere Standbetreiber, die von außerhalb angereist waren.

Zum 27. Mal feierte Neuschloß den Markt. Seit dem Jahr 1992 lassen es sich die Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils am ersten Adventssonntag auf dem Ahornplatz gut gehen. Viele Gespräche drehten sich diesmal um die ICE-Trasse, über deren Verlauf es in der kommenden Woche eine Vorentscheidung geben könnte.

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Ein mehr als zehn Kilometer langer Tunnel unter dem Lampertheimer Wald und auch den Äckern der Spargelstadt – mit dieser „Vorzugsvariante“ für die Neubaustrecke der Bahn rund um Neuschloß hätte noch vor nicht allzulanger Zeit kaum jemand gerechnet. Klar, es ist ein Kompromis: Die Bahn bekommt die schnellste Route, der Region bleibt – von den Bauarbeiten abgesehen – die Zerschneidung erspart.

Aber immerhin kostet diese Lösung 320 Millionen Euro extra (im Vergleich zur Variante durch den Wald ohne Tunnel). Und deshalb ist es schon interessant zu wissen, wie es am Ende zu dieser Route kam. Und welche Argumente aus unserer jahrzehntelangen Debatte sich durchsetzen konnten – und welche platzten wie Seifenblasen.

Die untersuchten Varianten

Schauen wir uns zunächst an, welche Varianten verglichen wurden.

Die mit „e“ gekennzeichneten Routen führen durch den Lampertheimer Wald.
– „e1“ ist die oberirdische Version, die den Wald dauerhaft zerschneidet.
– „e2“ enthält Tunnel nur dort, wo unbedingt nötig: hinter Lorsch, um die Autobahn zu durchqueren, und im Bereich eines Vogelschuzgebiets im Lampertheimer Wald.
– „e3“ ist der lange Tunnel, der schließlich zur Vorzugsvariante wurde.

Die mit „f“ gekennzeichneten Routen verlaufen parallel zu den Autobahnen 67 und 6, mit einem Knick am Viernheimer Kreuz.
– „f1“ östlich der A67 oberirdisch.
– „f2“ östlich der A67 weitgehend in einem Tunnel.
– „f3“ westlich der A67 oberirdisch.
– „f4“ westlich der A67 weitgehend in einem Tunnel.
– „f5“ westlich der A67 mit hinter der A67-Unterquerung verlängertem Tunnel (Lärmschutz Lorsch) und einem etwas kürzerem Tunnel am Viernheimer Dreick. Das ist die Bergsträßer Konsenstrasse, die auch die Bila forderte.

Die Bewertung der Varianten

Springen wir gleich zur Zusammenfassung (mit Klick auf die Tabelle die Großansicht aufrufen).

Wenig überraschend sind alle rein oberirdischen Varianten (e1, f1, f3) rot-dominiert. Von den f-Tunnelvarianten schneidet jene östlich der A67 (f2) etwas besser ab als die westliche (f4). Bei den Neuschlößer e-Trassen fällt auf, wie wenig der kurze Tunnel (e2), beschränkt auf das Vogelschutzgebiet, punkten kann. Der Neuschlößer Langtunnel sticht grün heraus.

Wie kommt diese Bewertung zustande? Ganz entscheidend sind dafür Naturschutzgebiete in unserem Wald. Dort gelten scharfe Vorschriften: die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Gebiete) zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, die Vogelschutzrichtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten und die Regeln für den FFH-Lebensraumtyp „begrenzte Vorkommen, vom Verschwinden bedroht“. Wenn ein Bauprojekt ein FFH-Gebiet kreuzen soll, aber auch eine Variante ohne Beeinträchtigung des FFH-Gebiets denkbar wäre, schreibt der Gesetzgeber rigide vor, dass die Alternative zu nehmen ist.

Ohne gebohrten Tunnel keine F-Varianten

Diese harten Umweltvorschriften bedeuten das Aus für sämtliche Varianten über das Viernheimer Dreieck. Für die oberirdischen sowieso – aber auch für die drei Tunnelvarianten einschließlich der Bergsträßer Konsenstrasse. Denn: Da die Tunnel nicht unterirdisch gebohrt, sondern ausgegraben werden sollen, würden schon die vorübergehenden Bauarbeiten zu große Eingriffe in die Naturschutzgebiete darstellen, heißt es in der Präsentation der Bahn für das Beteiligungsforum.

Die bergmännische (gebohrte) Form der Tunnel hat die Bahn bisher nicht geprüft. Klar ist aber: Sollte tatsächlich ein gebohrter Tunnel eine Chance haben, würde er natürlich den kürzesten Weg nehmen. Damit scheiden die F-Varianten auch für die Form des bergmännischen Tunnels aus.

Auch auf dem Weg der Neuschloßtrasse liegt ein Vogelschutzgebiet – weshalb an dieser Stelle die oberirdische Variante e1 ausscheidet. Zugleich dürfte das die Geburtsstunde von e2 sein: kurzer Tunnel nur unter dem Vogelschutzgebiet. Und damit läuft das Schlussrennen nun zwischen kurzem und langem Tunnel.

Und zwar so: Der kurze Tunnel (e2) bekommt, wenig überraschend, genau wie Neuschloß komplett oberirdisch (e1) schlechte Noten wegen der Lärmbelastung in Neuschloß – ein Kriterium, das stark wiegt. Außerdem gilt unser Wald als Vorranggebiet für vorbeugenden Hochwasserschutz und potenziell aktive Ventilationsfläche und Kaltluftentstehungsgebiet. Die letzteren Dinge seien eigentlich „weniger entscheidungsrelevant“, schreibt die Bahn. Sie könnten aber „beim Vergleich fast gleichwertiger Varianten ein Abwägungsargument“ sein – das deutet an, wie knapp das Rennen ist. Das am Ende der lange Tunnel gewinnt.

(Komplette Ansicht mit Klick auf die Grafik)

Zusammenfassung

Zusammengefasst heißt das: Das Argument des Umwelt- und Klimaschutzes spricht gegen die Konsenstrasse – und für die untertunnelte Route vorbei an Neuschloß. Will man unterirdisch bohren statt ausgraben, müsste der zu erwartende Zusatznutzen das dafür nötige Steuergeld rechtfertigen. Das dürfte nicht einfach zu erklären sein.

Grafiken und Visulation: Deutsche Bahn.
Als PDF-Download gibt es die komplette Präsentation.