Eine Bürgerkammer könnte vom März an die Interessen der Neuschlößer vertreten. Das schlägt Ortsvorsteherin Carola Biehal (SPD) vor – genauso wie der Rosengartener Ortsvorsteher Horst Werner Schmidt (FWG) für seinen Stadtteil. In Neuschloß fällt die Wahl des Ortsbeirats aus, weil die FDP eine überraschend kurze und die CDU eine fehlerhafte Kandidatenliste vorgelegt hatte; im Rosengarten verpassten die Freien Wähler die Abgabefrist mit dem gleichen Ergebnis.
„Die Bürgerkammer agiert als repräsentatives Organ des Ortsteils gegenüber Stadtparlament und Verwaltung mit der Zielsetzung von Ideenentwicklung, Empfehlungen, Einbindung von Meinungs- und Interessenlagen, Klärung und Erarbeitung von Fakten bei Problemzonen und Herstellung von Öffentlichkeit für alle Sachthemen im Umfeld des Ortsteils“, heißt es in dem Konzept, für das Biehal und Schmidt werben.
Das Konzept basiert auf Forschungsarbeiten des Duisburger Politikwissenschaftlers Karl-Rudolf Korte, der früher im Rosengarten, jetzt in Worms wohnt. Biehal und Schmidt haben ihren Vorschlag nach eigenen Angaben mit Korte abgestimmt; der Wissenschaftler habe sich auch bereit erklärt, bei der Umsetzung vor Ort zu helfen.
Dazu müssten allerdings die städtischen Gremien mitziehen. Die beiden Ortsvorsteher haben über das Kammer-Konzept mit Bürgermeister Gottfried Störmer gesprochen. Der habe jede Form von Bürgerbeteiligung für gut befunden, werde den Vorschlag rechtlich prüfen und dem Magistrat vorstellen. Außerordentliche Treffen des Ortsbeirats sollen die Bürgerinnen und Bürgern von Neuschloß und Rosengarten ausführlich informieren.
In der Kammer würden bis zu 20 Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils diskutieren. Den Magistrat soll wie bisher im Ortsbeirat der Bürgermeister oder der Erste Stadtrat vertreten. Ausführende Institution wäre ein Vorsitz, gewählt in der ersten Sitzung, bestehend aus einer oder einem Ersten Vorsitzenden, einer Stellvertretung und der Schriftführung.
Wer aber wählt die Leute aus, die in der Kammer sitzen? Zunächst schlagen Biehal und Schmidt vor, dass Interessierte ein Art Bewerbung abgeben („kurzes Motivationsschreiben mit Interessenhintergrund, biographische Daten“). Auswählen könnte dann ein Ausschuss, möglicherweise bestehend aus dem noch amtierenden Ortsbeirat, Vertrauenspersonen aus der Bürgerschaft und städtische Vertreter. Einbezogen werden sollen örtliche Interessensgruppen wie Sportverein, Kirche oder der Elternbeirat des Kindergartens. Damit ist die Kammer deutlich weniger demokratisch legitimiert als ein Ortsbeirat, der direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt würde.
Dafür gibt es zwei andere Stellen, die es den Bürgerinnen und Bürger erlaubt, sich deutlich mehr einzumischen als bisher. Zum einen darf das Publikum in einem klar umfassten Rahmen mitdiskutieren – wenn es vorher eine begrenzte Redezeit anmeldet. Zum anderen kann auch die Jugend mitmachen: Heranwachsende, die älter als 16 Jahre sind, sind genauso als Vertreterinnen und Vertreter des Stadtteils erlaubt wie Erwachsene.
Das Konzept setzt darauf, dass sich in den Treffen der Kammer die Mitglieder untereinander einigen: Alle „verständigen sich gemeinsam auf Schwerpunkte, Tagesordnungen, Einbeziehung von Fachexpertise, Rückkopplung der Ideen mit dem Magistrat/Stadtparlament. Dies erfolgt in der Regel durch Konsens der Mitglieder.“ Das ist ein hoher Anspruch, der den nicht wenigen Vertreterinnen und Vertretern abverlangt, zu Kompromissen bereit zu sein.
Falls sich nicht alle einig werden, kann die Kammer mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder entscheiden. Punktuell darf das Gremium beratende Fachleute einladen. Nach dem vorgelegten Konzept tagt die Kammer dreimal im Jahr, öffentlich und längstens jeweils zwei Stunden.
Kammer und Vorsitz arbeiten für 24 Monate. Danach konstituieren sich die Gremien neu.