Bei der Bundestagswahl bleibt in Neuschloß die CDU die stärkste Kraft. Allerdings verlor sie deutlich und kommt bei den Zweitstimmen jetzt wieder in die Größenordnung von 2009. Die SPD ist zweitstärkste Partei mit einigen Verlusten.

Die Liberalen holen einen großen Teil ihrer Verluste von 2013 wieder auf und landen – in etwa wie die aufstrebende AfD – bei 14,5 Prozent. Grüne und Linke sind in Neuschloß abgeschlagen bei 7,9 beziehungsweise 7,8 Prozent.

Verglichen mit dem Lampertheimer Stadtschnitt ist die CDU in Neuschloß etwa zwei Prozentpunkte schlechter, die SPD besser. Die FDP ist mit fast drei Prozentpunkten in Neuschloß deutlich stärker als in Gesamt-Lampertheim; die Linke kommt auf ein Plus von 0,7 Prozent Prozentpunkten.

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Die Mehrheit der Erststimmen geht an den CDU-Kandidaten Dr. Meister.

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Den stinkenden Abwasserkanal umzubauen, erscheint dringender denn je. Die Neuschlößer bemängeln inzwischen fast jede Woche mehrmals über den Geruchsmelder von Neuschloss.net Belästigungen. Die Zahl der Hinweise steigt damit immer weiter – offenbar verlieren die Anwohnerinnen und Anwohner langsam die Geduld.

Nach der Bürgerkammer reagiert jetzt auch die Stadtpolitik. Die Fraktionen der SPD und FDP in der Stadtverordnetenversammlung wollen das Geld für einen Umbau des Kanals im Haushalt für das kommende Jahr sehen. Das geht aus einem Beschlussantrag für das Parlament hervor, der Neuschloss.net vorliegt.

Wörtlich heißt es in dem Papier: „Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen: In den städtischen Haushaltsplan werden für die Durchführung einer Kanalreinigung mittels Schwallspülungen im Stadtteil Neuschloß im Budget des Fachdienstes ‚Tiefbau‘ 75.000 Euro eingestellt.“ Damit würden jährlich drei manuelle Spülungen des Kanals eingespart – und damit etwa 4.000 Euro.

Im Stadtteil stinkt es regelmäßig aus dem Kanal, weil sich in den teils recht großen Rohren Fäkalienreste festsetzen. Nach jahrelanger Ratlosigkeit der Verwaltung hatte Erster Stadtrat Jens Klingler (SPD) der Bürgerkammer im Sommer erstmals eine technische Lösung präsentiert: Das Kanalwasser soll an zwei Stellen für einige Minuten aufgestaut und dann auf einen Schlag losgelassen werden. Diese kräftigen Schwallspülungen würden, so die Idee, die riechenden Ablagerungen verhindern. Mit 75.000 Euro erschien der Umbau sogar recht günstig, das Projekt schnell umsetzbar.

So funktioniert die geplante Schwallspülung - aus der Präsentation der Verwaltung.
So funktioniert die geplante Schwallspülung – aus der Präsentation der Verwaltung.

Im Herbst allerdings machte Klingler einen Rückzieher: Das Geld sei zwar da, aber leider nicht mehr das Personal in der Verwaltung, das die Arbeiten planen und prüfen könne. Deshalb, erläuterte Klingler, habe er auch die 75.000 Euro gleich aus dem Haushalt gestrichen. Der Bürgerkammer gefiel das gar nicht. Sie forderte einstimmig, das Geld in jedem Fall vorzusehen – damit der Kanalumbau nicht wieder an den Mitteln scheitert, wenn das Bauamt vielleicht doch wieder besser personell ausgestattet ist.

Die Koalition aus SPD und FDP im Parlament schließt sich dieser Position nun an. Damit stellen sich die Sozialdemokraten an der Stelle gegen den Ersten Stadtrat, der aus ihren eigenen Reihen kommt.

So richtig zielführend ist das alles freilich nicht: Geholfen wäre Neuschloß erst, wenn die Fraktionen im Stadtparlament weitergehend fordern, die Verwaltung möge die Kanalarbeiten so hoch priorisieren, dass sie auch bei enger Besetzung im Bauamt gleich im kommenden Jahr umgesetzt werden.

Wenn es in Neuschloß wieder einen Ortsbeirat geben sollte, werden dort nicht mehr wie bisher neun, sondern nur noch sieben Bürgerinnen und Bürger vertreten sein. Die Stadtverwaltung strebt eine entsprechende Änderung der Hauptsatzung an, wie aus einer Beschlussvorlage für die konstituierende Sitzung des neuen Stadtparlaments hervorgeht. Sie beginnt am Freitag, 22. April, um 18 Uhr im Stadthaus, Römerstraße 102.

Damit zögen die Gremien Konsequenzen aus dem Ortsbeirats-Debakel bei der jüngsten Kommunalwahl. Weil die CDU eine ungültige und die FDP eine überraschend kurze Kandidatenliste eingereicht hatten, waren insgesamt nicht genügend Leute zusammen gekommen, so dass die Wahl des Ortsbeirats ausfallen musste. Der Ortsbeirat mit der Ortsvorsteherin an der Spitze ist eigentlich die Stimme des Stadtteils.

Update: Die Stadtverordneten drosseln hier das Tempo. In ihrer Sitzung Anfang Juni haben sie beschlossen, über die Zahl der Ortsbeiratsmitglieder erst zur Mit­te der Le­gis­la­tur­pe­ri­o­de zu befinden.

Um weiter Einfluss auf des politische Geschehen zu nehmen, konstituiert sich in diesen Tagen in Neuschloß eine Bürgerkammer, in der nach den vorgestellten Plänen 20 Neuschößerinnen und Neuschlößer ohne direkten Einfluss der politischen Parteien arbeiten werden. Im Rosengarten soll es der Vorlage zufolge künftig nur noch fünf Ortsbeiräte geben, in Hüttenfeld sieben.

Die Lampertheimer Zeitung informiert über einen weiteren interessanten Sachverhalt. Demnach soll der frühere Ortsvorsteher Gottlieb Ohl erneut für die FDP in den Magistrat ziehen. Ohl wurde aber in die Stadtverordnetenversammlung gewählt. Genau für diese Konstellation hatte Neuschloss.net berichtet, dass Ohl auf sein Mandat im Parlament verzichten müsste, um in den Magistrat gewählt werden zu können.

Daraufhin griff uns Ohl mit Leserbriefen in den Lokalzeitungen persönlich an, wir könnten Gasthof nicht von Gustav unterscheiden, sprach von ungenügender Recherche und kam zum Ergebnis: „Da ich auf Platz sieben des Wahlvorschlags der FDP kandidiere, könnte ich somit in den Magistrat gewählt und entsandt werden, ohne dass ein anderer Kandidat nachrückt.“ Wir sind auch deshalb sehr gespannt auf den Verlauf des Treffens der Stadtverordneten.

Mit dem Rosengarten ist Neuschloß neuerdings in mehrerer Hinsicht verbunden. Beide Stadtteile haben gemeinsam die Bürgerkammer durchgesetzt, und beide Vororte gingen voran, als es darum ging, einer größeren Zahl von Flüchtlingen eine Bleibe zu geben. Hier und dort gab und gibt es Ehrenamtliche, die den meist jungen Menschen helfen, wo sie können.

Dass die rechtsgerichtete AfD jetzt ausgerechnet im Rosengartener Dorfgemeinschaftshaus ihre Anhänger zusammenrief, kam konsequenterweise vor Ort nicht gut an. Etwa hundert Frauen und Männer protestierten dagegen – mit einer Kundgebung, „Haut ab“-Rufen und Pfiffen.

Eingeladen hatte ein Bündnis unter anderem aus den Freien Wählern im Rosengarten, den Jungsozialisten, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Initiative gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Kreis Bergstraße.

„Rosengarten bleibt ein Ort der Toleranz“, stellten alle Redner mit Blick auf den Protest gegen die AfD klar. Marius Schmidt, Sprecher der Lampertheimer Stadtverordneten-Fraktion der SPD und Vorsitzender der Bergsträßer Jusos, verdeutlichte, die AfD sei keine demokratische Partei und werde niemals eine werden: „In dem Weltbild der AfD ist für Buntheit, ist für Toleranz und alles das, was unser Land als demokratisch und vielfältig ausmacht, schlicht und ergreifend keinen Platz.“

Von der Stadtspitze im Publikum vertreten waren der Erste Stadtrat Jens Klingler (SPD) und der ehrenamtliche Dezernent Gottlieb Ohl (FDP).

Gesprochen hat mit Erich Maier nur ein ehemaliger Bürgermeister: „Ich hätte mir gewünscht, dass hier noch mehr Lampertheimer protestieren“, sagte er.

Horst Werner Schmitt, Vorsitzender der Bürgerkammer im Rosengarten, winkte einigen Jugendlichen aus dem Irak zu und berichtete, wie Bürger, Vereine und Organisationen auf die Flüchtlinge im Stadtteil erfolgreich zugingen.

Die schönen Seiten der Vielfalt zeigten sich übrigens auch in der Verpflegung während der Kundgebung. Neben Gulasch gab es türkischen Couscous-Salat, Zigaretten-Börek und spanische Speisen.

Der frühere Lampertheimer Bürgermeister Erich Maier.
Der frühere Lampertheimer Bürgermeister Erich Maier.

Wie stark ist die AfD in Neuschloß? Angetreten ist die rechtspopulistische Partei für die Wahlen zum Kreistag. In unserem Stadtteil kommt sie dabei auf 19,0 Prozent der Stimmen – bei einer Beteiligung von 33,6 Prozent. Damit liegt Neuschloß über dem Stadtschnitt von 17 Prozent, wie unsere interaktive Grafik zeigt: Steht Mauszeiger auf den entsprechenden Balken, werden die Werte eingeblendet.


Die meisten AfD-Wähler leben in den Stimmbezirken der Kernstadt, die wenigsten in den Stadtteilen. Insgesamt kommt die AfD in Lampertheim auf einen höheren Anteil als im gesamten Kreis Bergstraße, der wiederum der stärkste Landkreis der AfD in Hessen ist.

Woher kommen in Neuschloß die AfD-Stimmen? Um das zu erkunden, haben wir die Neuschlößer Ergebnisse zur Kreistagswahl von 2006 (links), 2011 (Mitte) und 2016 (rechts) auf einer Grafik zusammengetragen. Die Zahlen von 2011 alleine sind als Vergleich wenig aussagekräftig, weil damals nach dem folgenschweren Störfall im japanischen Atomkraftwerk von Fukushima ungewöhnlich viele Menschen grün gewählt hatten.

Zu sehen ist: In Neuschloß liegt in der Kreistagswahl die SPD deutlich vorne; und sie macht ihr Minus von vor fünf Jahren sogar fast zur Hälfte wett. Die CDU als zweitstärkste Kraft dagegen verlor 2011 massiv – und kommt auch diesmal nicht von der Stelle. Die FDP fällt kontinuierlich. Deutlich zu erkennen ist der Fukushima-Effekt bei den Grünen, die sich – im Gegensatz zu SPD, CDU und FDP – in Neuschloß kaum engagieren und auch keine Liste für den Ortsbeirat zusammenbringen. Die Grünen landen ziemlich genau in der Größenordnung, von der aus sie 2006 ihren Höhenflug antraten.

Die Wahlbeteiligung schwankt im Rahmen des Üblichen (2006: 32,9 Prozent, 2011: 34,7 Prozent, 2016: 33,6 Prozent); offenkundig hat es in Neuschloß nicht wie anderswo viele bisherige Wahlverweigerer in den Bürgersaal gezogen, um dort die AfD zu beehren. Von den Zahlen her sieht es für Neuschloß eher danach aus, als hätten die Sozialdemokraten ihre Anhänger solide im Griff. Anders die CDU und FDP. Möglicherweise sind jene Frauen und Männer, die sich 2011 den Grünen zugewandt haben, nicht zurück zu Schwarz und Gelb – sondern protestieren nun mit ihren blauen AfD-Stimmen.

Es könnte sein, dass in Neuschloß vor allem jene Mittelschicht zur AfD tendiert, die in der Angst lebt, etwas zu verlieren.