Bei den Europawahlen bleibt die SPD knapp stärkste Partei in Neuschloß. Sie kommt auf 23,5 Prozent oder 120 Stimmen. Fünf Voten weniger vereint die CDU auf sich – was einen Anteil von 22,6 Prozent ergibt. Drittstärkste Kraft sind die Grünen mit 19,9 und 101 Stimmen.

Es folgt die AfD mit 69 Stimmen und 13,5 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2017 war die AfD in Neuschloß noch auf 14,4 Prozent gekommen, bei der Landtagswahl 2018 gar auf 17,6 Prozent.

Die FDP erreicht 39 Stimmen (7,7 Prozent), die Linke elf Stimmen (2,16 Prozent). Weitere Kleinparteien führt die Ergebnisseite der Stadtverwaltung für unseren Wahlbezirk auf.

Europawahl in Neuschloß seit 2004

Die Entwicklung einschließlich der drei vergangenen Europawahlen 2004, 2009 und 2014 zeigt unsere interaktive Grafik.

Über die vergangenen zwei Jahrzehnte bleibt die SPD nach einem außergewöhnlichen Ausschlag vor fünf Jahren stabil. Die CDU verliert hingegen seit 2009 kontinuierlich; seit der gleichen Zeit gewinnt die AfD an Stärke. Die FDP ist zuletzt abgeschlagen; die Grünen wachsen in Neuschloß mit dem Trend. Die Linke kommt bei Europawahlen in Neuschloß nie über vier Prozent.

Europawahl 2019 in Neuschloß und dem Stadtschnitt

In Gesamt-Lampertheim führt die CDU mit 25,9 Prozent; in Neuschloß sind das 3,3 Prozent weniger. Die SPD kommt stadtweit nur auf 21,6 Prozent – in Neuschloß sind es zwei Prozent mehr. Die Grünen sind bei 17,7 Prozent in Gesamt-Lampertheim gut zwei Prozent schwächer als in Neuschloß. AfD und FDP zeigen keine großen Unterschiede.

Herausforderer Marco Steffan ist bei den Neuschlößerinnen und Neuschlößern beliebter als der bisherige und künftige Bürgermeister Gottfried Störmer. Das zeigt ein Blick auf die Ergebnisse des Wahlbezirks 15. Steffan kommt auf 48,8 Prozent der Stimmen. Gottfried Störmer schafft 46,3 Prozent, Lothar Pfeiffer 4,9 Prozent. Die Wahlbeteiligung in Neuschloß ist mit 51,9 Prozent die höchste eines Lampertheimer Wahllokals – dazu kommen noch die Neuschlößerinnen und Neuschlößer, die per Briefwahl abgestimmt haben.

Stadtweit erreicht Störmer 50,55 Prozent, Steffan 44,38 Prozent und Pfeiffer 5,07 Prozent. Gesamtwahlbeteiligung: 60,01 Prozent.

 

Neuschloß ist der einzige Stadtteil, in dem Steffan punktet. Andersrum schneidet Störmer nirgends schlechter ab als bei uns. Der Bürgermeister ist klarer Sieger in Hofheim (53,70 Prozent), Rosengarten (57,94 Prozent) und Hüttenfeld (62,12 Prozent). In der Kernstadt vereint Störmer 47,25 Prozent der Stimmen auf sich.

Im Wahlkampf spielten Themen aus allen Stadtteilen kaum eine Rolle. Das könnte sich vor allem für die Herausforderer gerächt haben. Sämtliche Kandidaten fokussierten sich auf die Frage, wie die Fußgängerzone in der Kernstadt zu beleben sei. Auch über die Führungsqualität Störmers als Chef der Stadtverwaltung stritten sie. Verkehrsaspekte, die für Stadtteile relevant sind, blieben undiskutiert. Wenig war über soziale Themen zu hören – etwa über Kinderbetreuung, Schulen und Bildung.

Neben den Stadtteilen entschieden die Wahl erwartbar vermutlich auch die Älteren, die in der Tendenz konservativ sind und auf die Briefwahl setzen.

Forschungsgruppe Wahlen in Neuschloß.
Forschungsgruppe Wahlen in Neuschloß.

Einige Neuschlößerinnen und Neuschlößer durften übrigens doppelt wählen. Die Forschungsgruppe Wahlen befragte ausgewählte Bürgerinnen und Bürger nach ihrem Stimmverhalten. Die Ergebnisse flossen in die Prognosen und Hochrechnungen für das ZDF ein.

Als die Lampertheimerin Helga Ried zu ihrer Großmutter nach Neuschloß zog, war sie ein 14 Jahre altes Mädchen. Es war im Oktober 1943. In dem alten Arbeiterhäuschen ihrer Großeltern im Alten Lorscher Weg lebte Helga Ried bis zuletzt. Ihren 90. Geburtstag konnte sie nicht mehr erleben; sie starb wenige Wochen vorher in der Nacht zum Samstag.

Helga Ried prägte Neuschloß gleich mehrfach. Zum einen beruflich, denn sie war beschäftigt beim Lampertheimer Architekten Dubois (später Rockenfeld), der die Nebenerwerbssiedlung der Heimatvertriebenen in Neuschloß plante. Das sind die gleichartigen Familienhäuser im Ulmen-, Buchen- und Lindenweg.

Sie stand auch politisch für Neuschloß. Helga Ried war von 1985 bis 1993 als Ortsvorsteherin die Spitze des Ortsbeirats – in einer Zeit also, als Neuschloß mit der zweiten Besiedlungsphase zu seiner heutigen Größe fand. Und als Stadtverordnete der SPD brachte sie von 1972 bis 2011 die Sicht unseres Stadtteils in die Debatten ein. Der Landesehrenbrief und der Titel Ratsfrau der Stadt sind formale Anerkennungen ihres Engagements.

Obwohl ihre Gesundheit sie in den vergangenen Jahren sehr einschränkte, zeigte Helga Ried immer wieder ihre Verbundenheit mit unserem Stadtteil. Sie besuchte öffentliche Veranstaltungen und berichtete für die Festschrift der Bürgerkammer zum 550-jährigen Bestehen von Neuschloß bereitwillig aus ihrem Leben. „Als ich kam“, erinnerte sie sich, „bestand Neuschloß aus wenigen Gebäuden. Bei uns gegenüber klaffte ein großes, etwa zwei Meter tiefes und langes Loch. Darin waren Grundmauern und Kanäle der ehemaligen Fabrik zu sehen. Im Kellergewölbe des Beamtenbaus, links neben dem Kellereingang zur Meute, war ein Luftschutzkeller eingerichtet.“

In den ersten Monaten nach dem Krieg hätten die US-Streitkräfte in dem kleinen Haus ihrer Familie ein Schreibbüro eingerichtet. „Wir mussten sehr beengt leben. Damals, um 1950, lebten in Neuschloß rund 160 Menschen. Zur Arbeit in Lampertheim kam ich mit dem Fahrrad oder zu Fuß“; die Buslinie nach Lampertheim entstand erst um 1960 als Ersatz für die eingestellte Bahnlinie Worms – Lampertheim – Viernheim – Weinheim. An Neuschloß schätzte Helga Ried „das ruhige und waldnahe Wohnen.“

Neben unserem Stadtteil trauert auch die SPD. Der Ortsverein Lampertheim vermisst eine „engagierte Sozialdemokratin, der das Wohl ihrer Mitmenschen am Herzen lag.“ Vor allem die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen sei ihr wichtig gewesen.

Die Trauerfeier mit Urnenbeisetzung am Donnerstag, 14. Februar, 11 Uhr, ist – entgegen unserer ersten Angabe – auf dem Stadtfriedhof.

Die Landtagswahl bringt dramatische Verschiebungen der politischen Verhältnisse von Neuschloß. In der Folge liegen die drei stärksten Parteien bei den Zweitstimmen nun eng beieinander: 22,8 Prozent für die CDU, 21,3 Prozent für die SPD und 20,1 Prozent für die Grünen. Die AfD ist mit 17,6 Prozent vierte Kraft – für hessische Verhältnisse ist das viel, für Lampertheimer Verhältnisse Durchschnitt. Die FDP erreicht 11,1 Prozent.

Zweitstimmen Landtagswahl 2018 in Neuschloß

 

Damit verliert die CDU ganz massiv – nämlich fast die Hälfte der Stimmen: Bei den vergangenen Landtagswahlen im Jahr 2013 kamen die Christsozialen noch auf beachtliche 41,3 Prozent in Neuschloß. Damals vereinte die AfD nur 4,1 Prozent der Stimmen auf sich. Die Grünen gewinnen gut 12 Prozent.

Zweitstimmen Landtagswahl 2013 in Neuschloß

 

Erststimmen Landtagswahl 2018 in Neuschloß

Beim Kampf um die Erststimme gewinnt der Lampertheimer SPD-Kandidat Marius Schmitt sehr deutlich mit 36,7 Prozent. Sein CDU-Herausforderer und Amtsinhaber Alexander Bauer schafft nur 21,7 Prozent.

Neuschloß trauert im Gertrude („Traudel“) Neudecker. Eine Krankheit hat sie nur 67 Jahre alt werden lassen. In den Achtzigerjahren war sie mit ihrer Familie in den Wacholderweg gezogen – und engagierte sich bald über mehrere Wahlperioden hinweg im Ortsbeirat. Sie gehörte von 1997 bis 2016 zur FDP-Fraktion, die der seinerzeitige Ortsvorsteher Gottlieb Ohl führte.

In den Treffen des Stadtteilgremius gehörte Traudel Neudecker nicht zu jenen, die zu jedem Thema lange Reden halten. Lieber griff sie mit kurzen, klaren Stellungnahmen ein, wenn es in einer Debatte galt, zu einer Lösung zu kommen.

Zuhilfe kam ihr bei ihrer Arbeit, dass sie viel im Stadtteil unterwegs und dabei mit den Neuschlößern im Gespräch war. Daraus resultierende Anregungen brachte sie in den Ortsbeirat ein – etwa, dass der Fuß- und Radweg zwischen Landesstraße und Wacholderweg eine Beleuchtung braucht. Und so muss es auch nicht verwundern, dass Traudel Neudecker es war, die nach einiger allgemeiner Ratlosigkeit auf die Idee kam, wo man den lange erwünschten Bolzplatz bauen könnte – am Spielplatz im Alten Lorscher Weg nämlich.

Die Bürgerkammer erinnerte in ihrer jüngsten öffentlichen Sitzung an die Verstorbene mit einer Gedenkminute. Auch der Südhessen Morgen würdigte die engagierte Neuschlößerin.

Ergänzung vom 20. Juni 2018: In den Tageszeitungen erscheinen heute Traueranzeigen. Stadtverordnetenvorsteherin Brigitte Stass und Bürgermeister Gottfried Störmer schreiben, der Tod von Traudel Neudecker habe große Betroffenheit ausgelöst. Beide erinnern daran, dass sich die Kommunalpolitikerin auch in der Stadtverordnetenversammlung und in einigen Kommissionen für die Belange ihrer Mitbürger aktiv und ehrenamtlich zur Verfügung gestellt habe.

Das Team der Kinderarztpraxis Peter Bärwinkel trauert um eine „ehemalige Mitarbeiterin, Kollegin, Freundin und gute Ratgeberin“. Es beschreibt Traudel Neudecker als „große Persönlichkeit, die stets liebevoll, hilfsbereit und dabei immer geduldig mit ihren Mitmenschen und den vielen kleinen Patienten“ umgegangen sei.

Die Trauerfeier mit anschließender Urnenbeisetzung ist am Dienstag, 26. Juni, 10 Uhr, auf dem Waldfriedhof. Anstelle von Blumen bitten die Hinterbliebenen um eine Spende an die Kinderhospiz „Sterntaler“ (IBAN DE19 4306 0967 6026 3478 00, Stichwort „Traudel Neudecker“).