Sie leistet Beachtliches, wird aber wenig beachtet: die Grundwassersanierungsanlage in Neuschloß. Mit einem Tag der Offenen Tür rückte das Sanierungsteam der HIM das Projekt ein wenig in die Öffentlichkeit. Interessierte konnten sich das weltweit einmalige Verfahren erklären lassen.

Starke Pumpen ziehen seit dem Jahr 2003 Tag und Nacht Grundwasser über ein verzweigtes Leitungsnetz aus zahlreichen Brunnen im Stadtteil an, reinigen es und drücken es im Wald zurück unter die Erde. Übrig bleibt Schlamm für die Sondermülldeponie. Darin bisher enthalten: 1200 Kilogramm Arsen.

Die frühere chemische Fabrik hat das Grundwasser in Neuschloß massiv mit dem giftigen Stoff belastet; Fachleute gehen von bis zu zehn Tonnen aus. Eine Größenordnung, an der zunächst jegliche bisherige Sanierungstechnik scheiterte. Ein Forschungsteam der Universität Heidelberg entwickelte deshalb für Neuschloß ein weltweit neues Verfahren – hinzugegebens Phosphat hilft nun, die weitgehend immobilen Arsenverbindungen zu lösen. Der Effekt ist beachtlich.

Interessierte konnten sich in der Sanierungsanlage umschauen und sich ein eigenes Bild von der beeindruckenden Technik machen. Die Fachleute der HIM erläuterten die angewandten Verfahren und standen für alle Fragen zur Verfügung.

Eindrucksvolle Bilder aus der Anlage veröffentlicht der Projektbeirat Altlasten Neuschloß

  • Die Bodensanierung geht in die nächste Etappe – mit den Gärten im Eichen- und Fichtenweg und den anschließenden Sandgruben sowie dem Roten Hof im Wald östlich des Alten Lorscher Wegs.
  • Die Grundwassersanierung steht kurz davor, um ein Vielfaches wirksamer durchzustarten.
  • Der Altlastenverein wird sich auflösen.
  • Der Projektbeirat Altlasten Neuschloß (PAN) hingegen wird die Bürgerinnen und Bürger weiter vertreten.
  • Zeit also für eine Überblicksdarstellung in Sachen Altlasten.

PAN vertritt weiter die Neuschlößer in Altlastenfragen

Es war eine wichtige Nachricht, die Carola Biehal als Sprecherin des Projektbeirats Altlasten Neuschloß in der Bürgerkammer verkündete: Der PAN vertritt die Neuschlößer auch in den verbleibenden Sanierungsfragen. Bedeutend ist das deshalb, weil die Landespolitik inzwischen die Rechtsgrundlage für die Arbeit des Projektbeirats aus dem Hessischen Altlastengesetz gestrichen hat. Umso relevanter ist die Zusage der Stadtverwaltung, dass der PAN als erfahrener Vertreter der Anwohnerinnen und Anwohner akzeptiert bleibt.

Der Projektbeirat besteht seit dem Jahr 1995 aus gewählten, ehrenamtlichen Bürgerinnen und Bürgern. Er arbeitet als Mittler zwischen Betroffenen, Behörden und Sanierungsfirmen – was maßgeblich zur Akzeptanz der umfangreichen Arbeiten auf den gut hundert Grundstücken im Ortskern beitrug. Der PAN war auch in Behördenrunden vertreten – etwa mit dem Hessischen Umweltministerium, dem Regierungspräsidium und der Stadt – und verfügte dort über Informations- und Beteiligungsrechte.

Seit Juli 2005 arbeitet Carola Biehal als Sprecherin, ihr Stellvertreter ist Dr. Günter Weidenauer; um die Presse und Öffentlichkeit kümmert sich Michael Bayer von Neuschloss.net. Projektbeirat und Altlastenverein, getragen vom gleichen Führungsteam, trugen wesentlich dazu bei, dass die Sanierung in Neuschloß überhaupt zustande kam – und das zu für die Anwohnerinnen und Anwohner auch finanziell verträglichen Konditionen. (Interessante Details dazu in der großen Geschichte der Altlasten-Sanierung von Neuschloß.)

Altlasten Neuschloß: Sicherung der Sandgruben und des Roten Hofs

Gelb gekennzeichnet die Lage der belasteten Sandgruben nördlich von Eichen- und Fichtenweg.
Gelb gekennzeichnet die Lage der belasteten Sandgruben nördlich von Eichen- und Fichtenweg.

Nach dem Abschluss der Arbeiten auf den Grundstücken im Ortskern und auf dem Sodabuckel stehen nun die nächsten beiden Projekte im Fokus: die überarbeitete Sanierung des Grundwassers und der Beginn der Sicherung der Böden im Wald.

Letztere betrifft die Sandgruben westlich des verlängerten Ulmenwegs, teils bis auf Gärten im Eichen- und Fichtenweg ragend, und den Roten Hof östlich des Alten Lorscher Wegs.

Gelb gekennzeichnet die Lage des Roten Hofs.
Gelb gekennzeichnet die Lage des Roten Hofs.

Für Sandgruben und Roter Hof ist die Stadt Lampertheim zuständig. Die Verwaltung beauftragte Mitte Oktober ein Ingenieurbüro mit der Konzeption, berichtete Biehal. „Wir können davon ausgehen, dass in 2020 die Planungen erfolgen und in 2021 die Erörterungen und Genehmigungen folgen. Der Beginn der Arbeiten ist für 2022 vorgesehen“, fügte sie hinzu.

Details mit einer Karte der Belastung und den Schadstoffwerten finden Sie unter altlast-neuschloss.de.

Grundwasser-Sanierung in Neuschloß mit Modellcharakter

Arbeiter vergruben lange Rohre, um das Testfeld im Ulmenweg an die Grundwasseraufbereitungsanalge an der Landesstraße anzuschließen.
Arbeiter vergruben lange Rohre, um das Testfeld im Ulmenweg an die Grundwasseraufbereitungsanalge an der Landesstraße anzuschließen.

Das Grundwasser in Neuschloß ist massiv mit Arsen verunreinigt. An der Landesstraße, in der Nähe von Abwasserpumpstation und kleinem Friedhof-Parkplatz, rauscht das Grundwasser durch die Sanierungsanlage. Tag und Nacht ziehen die Pumpen dort Wasser aus verschiedenen Brunnen an, reinigen es und geben das gesäuberte Nass über andere Brunnen zurück ins Grundwasser. Jedes Jahr holt die Anlage 60 Kilogramm Arsen aus dem Grundwasser. Eine Menge, an der ziemlich viele Menschen sterben könnten.

Die Grundwassersanierung könnte also ein Erfolg sein – wäre die Gesamtbelastung nicht kaum vorstellbar hoch. Die Experten gehen von sieben bis zehn Tonnen Arsen im Neuschlößer Grundwasserleiter aus. So richtig was ändern würde sich im Grundwasser, geht alles so weiter wie bisher, also frühestens in 150 Jahren. Dennoch besteht Handlungsbedarf, weil die Schadstofffahne sich in Richtung des Bürstädter Wasserwerks bewegt.

Der Weg der kleinen Revolution reicht von der einen Straßenseite des Ulmenwegs zur anderen. In Höhe der Hausnummer 35 testeten Naturwissenschaftler der Universität Heidelberg, ob es hilft, Stoffe in das Grundwasser zu geben, die die weitgehend immobilen Arsenverbindungen lösen. Ergebnis: Es funktioniert, und die Sanierung könnte schon in 15 Jahren zu schaffen sein. Details in einer Präsentation der Sanierer von der HIM (PDF-Datei).

Die Steuerung des Testfelds versteckte sich in Containern im verlängerten Ulmenweg.
Die Steuerung des Testfelds versteckte sich in Containern im verlängerten Ulmenweg.

Natürlich muss Wasseraufbereitungsanlage die größere Mengen verarbeiten können. Deshalb wurde sie in den vergangenen Monaten erweitert – für viele Neuschlößer nur bemerkbar an der baustellenbedingten Geschwindigkeitsgbegrenzung auf der Landesstraße. Aktuell wird die technische Ausstattung überprüft, Ende November könnte ein Probelauf starten. „Wenn alles erfolgreich funktioniert, womit wir alle rechnen, kann zeitnah mit der schnelleren Grundwassersanierung begonnen werden“, sagte Biehal in der Bürgerkammer.

Altlastenverein will sich im Januar auflösen

Im Bezug auf die Bodensanierung sind Ende Oktober sämtliche Fristen, etwa zur Gewährleistung der Handwerker, ausgelaufen. Deshalb hat der erweiterte Vorstand beschlossen, den Altlastenverein aufzulösen. Der Altlastenverein war Vertragspartner mit Stadt und Land; auf Grundlage eines Rahmenvertrags schlossen die von der Bodensanierung getroffenen Eigentümerinnen und Eigentümer Einzelverträge, die die Modalitäten der Sanierung regelten.

Das Regierungspräsidium Darmstadt, das das Land operativ vertritt, hat nach Biehals Angaben keine Einwände gegen die Auflösung. Die Mitglieder werden über Details in einer Vereinsversammlung informiert, die für Dienstag, 28. Januar 2020, geplant ist.

Eigentlich ein guter Grund zum Feiern für die Stadt und unseren Stadtteil. Aber mehr als ein mittelgroßer Pressetermin ist nicht daraus geworden: Am Freitag hat Lampertheims Bürgermeister Gottfried Störmer den letzten Baum auf dem Sodabuckel angepflanzt. Das 30.000-Quadratmeter-Areal mit den Produktionsresten der früheren chemischen Fabrik ist nun neu geformt; die giftigen Altlasten darin sind gesichert, sollten also nicht mehr ins Grundwasser oder an die Erdoberfläche gelangen. Mehr darüber auf altlast-neuschloss.de

Klar: Ein Sodabuckel, dem das Soda weggenommen wurde, ist kein Sodabuckel mehr. Aber was dann? Schlicht ein Buckel? Klingt nicht sonderlich reizvoll. Der Ortsbeirat will sich, angeregt von Paul Schneider, auf Namenssuche machen. Der FDP-Mann setzt auf „Schlossberg“, was vielleicht etwas zu viel verspricht. „Schlosshügel“ fiel noch – und tatsächlich auch „Schlossbuckel“.

So richtig überzeugt war das Gremium von keinem Vorschlag. Macht nichts: Eine solche Entscheidung will ja gründlicher überlegt sein als es nach einer spontanen Wortmeldung im Ortsbeirat möglich ist. Und deshalb schlug auch Ortsvorsteherin Carola Biehal vor, die Namensfindung lieber in Ruhe anzugehen. Vielleicht wäre es ja auch eine schöne Idee, die Neuschlößer hier mitreden zu lassen.

Die Sanierung selbst nähert sich übrigens ihrem Ende. Die Erdarbeiten werden wohl noch in diesem Jahr abgeschlossen. Der Süd- und Westhang färbt sich schon grün; der ausgesäte Rasen verhindert, dass Regen die Erde wegschwemmt. Der neue Zaun hält vor allem Wildschweine und Rehe fern. Im Frühjahr werden Gärtner noch Bäume und Sträucher anpflanzen – dann ist alles geschafft.

Für die Sanierung der mehr als hundert Grundstücke im Stadtteil liegen jetzt die letzten Abrechnungen für die Anwohner vor. Damit ist dieses Großprojekt formal abgeschlossen. Die letzte Gewährleistungsfrist läuft bis zum Oktober 2019 – solange müsse daher auch der Altlastenverein als Vertragspartner bestehen bleiben, erklärte Carola Biehal in ihrer Funktion als Sprecherrin des Projektbeirats Altlasten Neuschloß (PAN).

Bleibt noch das Sanierung des Grundwassers. Das Pilotprojekt dazu ist vielversprechend angelaufen. Weitere Informationen bekommt der Projektbeirat in Kürze in einem Gespräch mit den Sanierern der HIM und den überwachenden Ingenieuren.