Die Lampertheimer Stadtteile Neuschloß und Rosengarten stehen mit ihrem Bürgerkammer-Vorschlag vor dem politischen Durchbruch. Nach vier Wochen des Zögerns und wachsender öffentlicher Kritik verspricht nun Bürgermeister Gottfried Störmer (parteilos), eine solche Ersatzrunde für die wegfallenden Ortsbeiräte mitzutragen. Er werde Einladungen zu Treffen der Bürgerkammer folgen, sagte Störmer der eigens herbeigerufenen Presse.
Die Ortsvorsteherin von Neuschloß, Carola Biehal (SPD), stellte den nächsten konkreten Schritt vor. Für kommenden Donnerstag, 11. Februar, 19 Uhr, lädt sie zu einem außerordentlichen Treffen des Ortsbeirats ein. Auch wenn formal auf der Tagesordnung nur übliche Punkte stehen, dürfte die geplante Bürgerkammer zum entscheidenden Thema werden. Sinnvoll erscheint deshalb, dass möglichst viele engagierte Neuschlößer an diesem Abend in den Bürgersaal am Ahornplatz kommen.
Eine neue Form, wie sich Neuschloß selbst organisieren und Gehör verschaffen kann, war nötig geworden, weil die Wahl des Ortsbeirats im März ausfallen muss. Der Grund: Die CDU hatte eine ungültige, die FDP eine überraschend kurze Kandidatenliste vorgelegt. Biehal und ihr Rosengartener Amtskollege Horst Werner Schmitt (FGW) schlugen daraufhin vor, das Bürgerkammer-Konzept des Duisburger Politikwissenschaftlers Karl-Rudolf Korte auf die beiden Lampertheimer Stadtteile zu übertragen.
In der Kammer würden bis zu 20 Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils arbeiten; die Auswahl wird noch in Detail geklärt. Ausführende Institution wäre ein Vorsitz, gewählt in der ersten Sitzung, bestehend aus einer oder einem Ersten Vorsitzenden, einer Stellvertretung und der Schriftführung. Die Verschränkung mit der Verwaltung liefe nach Störmers Zusage über den Bürgermeister und den Ersten Stadtrat Jens Klingler.
Stadträte auf der Bremse
Störmer hatte sich zunächst zurückhaltend über die Bürgerkammer-Lösung geäußert. Dem Vernehmen nach standen intern ehrenamtliche Stadträte im Magistrat auf der Bremse, die sich möglicherweise selbst als Vertreter der Stadtteile sehen. Zuletzt wuchs aber die öffentliche Kritik an Störmer. Nach der Lampertheimer Zeitung positionierte sich der Südhessen Morgen sehr klar: Redakteur Uwe Rauschelbach kommentierte, der Bürgermeister habe die Ortsbeiratswahlen „gegen die Wand fahren lassen“. Die Gefahr, dass in den Stadtteilen das bürgerschaftliche Engagement erlahme, wiege schwer. „Dies können ein bürgerbewegter Bürgermeister wie Gottfried Störmer und die basisdemokratischen Grünen nicht wollen.“ Scheitere nach dem Ortsbeirat auch die Bürgerkammer, folge auf einen demokratischen Supergau ein weiterer.
Zugleich interviewte der Südhessen Morgen den Politikwissenschaftler Korte – den Vater der Bürgerkammer. Als drohendes Ungemach konnte Bürgermeister Störmer dort Kortes Antwort auf die Frage lesen, ob die Bürger auch dann eine Kammer gründen sollen, wenn der Bürgermeister nicht mitziehe: „Ja, klar!“ Bürgermeister, Verwaltung und Magistrat seien gut beraten, sich an die Spitze einer solchen Bewegung zu setzen und eine solche Initiative zu unterstützen. Als Klarstellung von Kritik der Grünen kann der Hinweis des Wissenschaftlers gelten, die Bürgerkammern seien keine Konkurrenz zu den klassischen politischen Gremien: „Den Bürgerkammern muss es in erster Linie darum gehen, Öffentlichkeit herzustellen. Die eigentliche Entscheidungsfindung und Beschlussfassung vollzieht sich, wie gehabt, in den dafür vorgesehenen parlamentarischen Gremien.“
Jetzt sind die Neuschlößer gefragt!
Wichtig wird nun, dass die Neuschlößer die geplante Bürgerkammer mit Leben füllen. Freizeit- und Sportverein, die evangelische Johannesgemeinde, Altlasten- und Bila-Initiative, die private Musikschule oder auch die Elternbeiräte von Kindergarten und Krippe – alle zusammen können dort ihre regelmäßige Angebote und Veranstaltungen vorstellen, die aktuelle Entwicklung etwa der geplaten ICE-Trasse oder der Sanierung von Sodabuckel und Grundwasser besprechen oder bürgerschaftliche Initiativen wie zu Halloween, zum gemeinschaftlichen Weihnachtsbaum-Schmücken am Ahornplatz oder der Begleitung der Marathon-Läufer ausbauen. Die Bürgerkammer kann Neuschloß weit voranbringen – wenn möglichst viele Neuschlößer mitmachen.