Die Lampertheimer Grünen nehmen zur vorgeschlagenen Bürgerkammer Stellung. Jürgen Meyer, Vorsitzender des Lampertheimer Ortsverbands, teilt mit: „Ortsbeiräte sind demokratisch legitimierte Vertretungen von Ortsteilen“ – nicht die Bürgerkammern, „da diese nicht von der Bevölkerung gewählt werden.“ Und: Bürgerkammern seien nicht in der Hessischen Gemeindeordnung vorgesehen.
Das Argument, Bürgerkammern stünden nicht in der HGO und seien deshalb unmöglich oder abzulehnen, wird in jüngster Zeit gerne vorgetragen. Wahr ist: Die HGO sieht Bürgerkammern nicht explizit vor. Nur warum? Ganz einfach: Weil das Gesetz für den Zweck der Vertretung der Stadtteile schon die Ortsbeiräte nennt. Dieses explizit vorgesehene Organ aber haben Neuschloß und Rosengarten nach den Kommunalwahlen nicht mehr – und deshalb brauchen diese Stadtteile eben eine Organisationsform, die bisher nicht vorgesehen ist.
Das kann bis zu einem gewissen Punkt auch niemand verbieten: Wenn genügend Neuschlößer oder Rosengartener einen Weg finden, wie sie nun ihre interne Meinungsfindung organisieren, ist das alleine deren Sache. Die Bewohnerinnen und Bewohner können sich treffen, diskutieren und Mehrheiten ermitteln, wie immer sie das möchten – egal ob eine solche Runde nun in der HGO steht oder nicht oder ob manche Politiker das gut finden oder nicht.
Die Nagelprobe freilich folgt dann, wenn es darum geht, wie die neuen Runden in den offiziellen politischen Betrieb eingebunden werden. Hier besteht Anlass zum Optimismus: Denn rein formal haben selbst die rechtlich verankerten Ortsbeiräte wenig zu sagen; sie leben davon, dass sie öffentlich tagen und ihre Einschätzungen als jene von Experten vor Ort im politischen Betrieb geachtet sind. Solange Neuschloß und Rosengarten in ihren künftigen Organisationsformen nicht großen offenkundigen Quatsch veranstalten, sind Stadtverordnete und Verwaltung sicher gut beraten, dieser vernünftigen politischen Tradition weiter zu folgen. Alles andere käme in den Stadtteilen sicher nicht gut an.
Die formalste Schnittstelle ist jene zur Verwaltung. Ein Ortsbeirat kann Anträge stellen und Informationen einfordern. Hier liegt es am Magistrat, wie weit er neuen Organisationsformen ähnliche Rechte einräumt. Es ist schlicht eine Frage des Wollens. Die Grünen schlagen in ihrer Mitteilung vor, statt Bürgerkammern besser mit Bürgerversammlungen zu arbeiten, die die HGO unter § 8a regelt. Wenn diese HGO-Nähe den Bürgerkammer-Kritikern das Leben einfacher macht, nehmen wir doch beides zusammen: Die Bürgerkammer dient in internen Treffen der Meinungsfindung im Stadtteil, und in regelmäßigen Abständen ruft die Stadtverordneten-Vorsteherin eine Bürgerversammlung ein. In diesen Treffen sind laut § 8a, Absatz 3, auch Sachverständige und Berater erlaubt – das könnten dann Vertreter der Bürgerkammer sein.
Eine solche Kombination von Bürgerkammer und Bürgerversammlung würde auch dem berechtigten Einwand von Ortsvorsteherin Carola Biehal und ihrem Rosengartener Kollegen Horst Werner Schmitt Rechnung tragen, die Bürgerversammlung alleine sei kein praktikables Instrument für einen ergebnisorientierten Dialog mit der Bürgerschaft. „Um lebendige lokale Demokratie zu erhalten und zu fördern, ist es unabdingbar, bewerte Formen der repräsentative Demokratie vor Ort und direkt demokratische Formen der Bürgerbeteiligung in ergänzenden Beziehungen zu bringen.“ Genau das würde die Kombination ermöglichen.
Das zeigt: Vielleicht geht es über Parteigrenzen hinweg voran, wenn wir die Bürgerkammer nicht als fertiges Konzept, sondern als Diskussionsgrundlage sehen, an der gemeinsam gearbeitet wird. Gegenstand weiterer Überlegungen könnte sicher – auch da geben die Grünen einen wichtigen Impuls – das Auswahlverfahren der Vertreter sein. Klar bringt eine Wahl von der Bevölkerung mehr demokratische Legitimation als Ernennungen eines Ausschusses. Warum also nicht über eine Wahl nachdenken?
Wichtig ist, dass es ein gemeinsamer Wille dafür gibt, mehr zu erreichen als politische Fürsprecher der Stadtteile im Magistrat oder in Kommissionen, die sämtlich unöffentlich tagen.