Es ist ein Jahrzehnte-Projekt: Eine Neubaustrecke der Bahn zwischen Frankfurt und Mannheim soll das größte Nadelöhr im deutschen Fernverkehr und europäischen Güterverkehr beseitigen. Lampertheim und der Stadtteil Neuschloß sind besonders betroffen.

Auch als sich in den vergangenen Monaten die Anzeichen dafür mehrten – so richtig daran glauben wollte kaum jemand. Doch jetzt ist es offiziell: Die Deutsche Bahn will nicht nur ihre wichtige Neubaustrecke von Mannheim nach Frankfurt zwischen Mannheim-Blumenau und Einhausen in einen Tunnel legen. Sie will den auch noch entgegen erster Planungen in bergmännischer Weise errichten. Das hat das Unternehmen heute im Beteiligungsforum bekannt gegeben, das in Gernsheim tagte.

Damit setzt sich die Region im südhessischen Ried ein zweites Mal mit ihren Forderungen durch. Sie fürchtete zu krasse Auswirkungen auf Menschen und Umwelt, wenn Bagger auf einer Länge von 15 Kilometern etwa 18 Meter tiefe Schluchten reißen, um unten die Trasse zu betonieren und anschließend wieder die Erde aufzufüllen. Die Angst war groß, dem Wald zu schaden oder zahlreiche Straßen für lange Zeit sperren zu müssen.

Interessant ist die Begründung – es ist eine wirtschaftliche Argumentation. Die neue Strecke sei weniger kurvig (was für den schnellen Zugverkehr an sich schon hilfreich ist) – und damit auch weniger lang. „Aufgrund der kürzeren Strecke und der kostengünstigeren Bauweise ist die nun vorgestellte Trassierung die wirtschaftlichste Alternative. Ein Tunnel in offener Bauweise wäre aufgrund der hohen Wasserhaltungskosten teurer gewesen als die jetzt entschiedene bergmännische Variante.“

Landrat Christian Engelhardt sprach von einem ausgezeichneten Tag für die Region – „nicht nur in Hinblick, auf den für die betroffene Bevölkerung geforderten Lärmschutz, sondern auch mit Blick auf den Wald. Denn durch diesen Tunnel können Waldzerschneidungen und Rodungen im Lorscher und Lampertheimer Wald vermieden werden. Außerdem bleiben wichtige landwirtschaftliche Flächen erhalten.“

Stattdessen wird nun über die längsten Bereich eine Tunnelbohrmaschine die unterirdische Röhre voranbringen- konkret zwischen der Weschnitz und Mannheim. Ein kurzes Stück davor bis zur Brücke der Kreisstraße 65 über die Autobahn 67 bei Einhausen wird in offener Bauweise errichtet.

Für Lampertheim und insbesondere Neuschloß bedeutet die Entscheidung: Der Tunnel geht nicht wie bisher geplant östlich am Stadtteil vorbei, sondern auf geradem direktem Weg westlich. Die neue Route unterquert die Landesstraße 3110 zwischen Waldfriedhof und Regenrückhaltebecken Neuschloß.

Beschlossene Sache ist der Tunnel und dessen Bauweise damit nicht: Der Bundestag, insbesondere der Verkehrsausschuss, muss den Plänen zustimmen.


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Update vom 24. März 2023

Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim: Störmer lässt aufhorchen

Ein bergmännischer Tunnel bei Lampertheim für die Neubaustrecke Frankfurt – Mannheim rückt immer weiter in den Bereich des Möglichen. Nachdem die Deutsche Bahn bereits diese Variante ganz offiziell in ihre Untersuchungen aufgenommen hat, gibt es nun auch eine Äußerung von Lampertheims Bürgermeister Gottfried Störmer, die aufhorchen lässt.

In der jüngsten öffentlichen Sitzung des Ortsbeirats des Stadtteils Neuschloß sagte das Stadtoberhaupt wörtlich: „Ein bergmännischer Tunnel ist so abwegig nicht.“

Dazu muss man wissen: Störmer gilt grundsätzlich als Verwaltungschef, der öffentlich zurückhaltend und vorsichtig formuliert. Insofern darf davon ausgegangen werden, dass seine Aussage nicht aus der Luft gegriffen ist. Und in Bahnfragen ist er gut informiert: Schon im Herbst 2019, als es um die grundsätzliche Routenführung ging, hatte er sich früh in die richtige Richtung geäußert.

Aktuell prüft die Bahn, welche Bauweisen technisch möglich sind. Das Beteiligungsforum, in dem vom Bau Betroffene wie Kommunen und Verbände vertreten sind, wird dann eine Empfehlung abgeben. Entscheiden über die genaue Trasse, die Bauweise und die damit verbundenen Kosten wird am Ende der Deutsche Bundestag.


Update vom 8. Dezember 2022

Viele Pläne für bergmännischen Tunnel

Die Deutsche Bahn hat im jüngsten Beteiligungsforum gleich vier Varianten für die konkrete Route zwischen Jägersburger Wald und Mannheim präsentiert, die eine solche unterirdische Bauweise vorsehen. Sie bilden somit neue Alternativen zur bisher von der Bahn favorisierten oberirdischen Herangehensweise, bei der Bagger einen tiefen Graben ausheben.

Für Neuschloß wichtig: Der Abschnitt unter dem Wald zwischen Lorsch und Neuschloß sowie unter unserem Stadtteil ist in allen neuen Plänen in unterirdischer Bauweise vorgesehen. Ein für Lampertheim zentraler Unterschied ergibt sich aus der Frage, wie der Tunnel unter den Feldern der Heide entstehen soll.

Am nördlichen Ende des Abschnitts bei Lorsch ergeben sich Unterschiede in der Frage, wie die Autobahn 67 und die Weschnitz passiert wird.

Die Bahn zeigt in einer Präsentation für das Beteiligungsforum folgende Visualisierungen. Dabei kommt es vor allem auf den Blauton an: Hellblau bedeutet die bisher geplante oberirdische Bauweise, dunkelblau die unterirdische Bauweise. Orange kennzeichnet Trogbauwerke, rot steht für normale freie Strecken.

Neubaustrecke Frankfurt - Mannheim, Varianten B und C
Neubaustrecke Frankfurt – Mannheim, Varianten B und C

Neubaustrecke Frankfurt - Mannheim, Varianten D und E
Neubaustrecke Frankfurt – Mannheim, Varianten D und E

Zum Vergleich hier die bisher gültige Planung mit oberirdischer Bauweise.

Neubaustrecke Frankfurt - Mannheim, Variante A
Neubaustrecke Frankfurt – Mannheim, Variante A

Bis Ende 2023 will die Bahn nach eigenen Angaben vorstellen, welchen Weg sie gehen würde. Was schließlich umgesetzt wird, muss der Bundestag, wahrscheinlich dessen Verkehrsausschuss, entscheiden. Eine entsprechende Vorlage soll das Beteiligungsforum erarbeiten.

Ebenfalls Thema in dem Treffen des Beteiligungsforums: Weil nun von deutlich höheren Zugzahlen ausgegangen wird, überarbeitet die Bahn die Pläne für die Nordanbindung Darmstadts. Die Frankfurter Rundschau berichtet.


Lesetipp: VRN startet neue S-Bahn-Linie 8 zwischen Biblis und Mannheim über Käfertal.


11. November 2022

Bahn plant alternative Trasse um Neuschloß für Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim

Die Deutsche Bahn bringt völlig überraschend eine alternative Route für ihre Neubaustrecke bei Neuschloß in die Planung ein. Das haben übereinstimmend die Stadtverwaltung und die Bürgerinitiative Lampertheim (Bila) im Ortsbeirat bekannt gegeben.

Es handelt sich um eine Streckenführung für den Fall, dass – wie vielfach in der Region gefordert – der geplante Tunnel unterirdisch in bergmännischer Weise errichtet wird. Dann würde man im Lampertheimer Wald, in Neuschloß und auf den Spargelfeldern der Heide wenig von den Arbeiten mitbekommen. Die Bahn bevorzugt bislang allerdings eine offene Bauweise – das heißt, Bagger graben vorübergehend etwa 18 Meter tiefe Schluchten aus, um unten die Trasse zu betonieren.

Die jetzt bekannt gewordene Alternative dazu für den Fall der unterirdischen, bergmännischen Bauweise führt in einem geraden, direkten Weg von Einhausen weiter westlich an Neuschloß vorbei (etwa zwischen Pumpstation und Waldfriedhof) weiter zum Lampertheimer Bruch. Die Bila präsentierte im Ortsbeirat eine entsprechende Grafik, die den groben Verlauf in blau zeigt. Rot die bisher diskutierte Trasse für die Bagger-Variante. Dazwischen unser Stadtteil am Waldrand.

Karte: Bila

Die Bahn hat die alternative Trasse nicht direkt veröffentlicht. Vielmehr ergibt sie sich aus den Punkten, an denen das Schienenunternehmen engmaschige Bodenuntersuchungen angekündigt hat. Schon im vergangenen Jahr hieß es, man habe mehrere Ingenieurbüros mit Planungen beauftragt. Im Lampertheimer Wald stünden „Geländebegehungen, geologische Kartierungen sowie Erhebungen für geotechnische und hydrologische Gutachten“ an. Diese Arbeiten sollten ermitteln, „welche Tunnel-Bauweise (oberirdisch oder bergmännisch) möglich“ sei.

Was bedeuten diese Informationen nun konkret?

  • Erstens: Die Bahn prüft einen Tunnel in unterirdischer Bauweise ernsthaft. Das ist ein weiterer, wichtiger Erfolg für die Bila und die kommunale Politik.
  • Zweitens: Das heißt noch lange nicht, dass der Tunnel am Ende auch unterirdisch gebaut wird. Denn die Bahn prüft grundsätzlich alle möglichen Varianten, um bei späteren Klagen überzeugend vortragen zu können, dass alle Varianten und Aspekte in der Planung angemessen berücksichtigt wurden.
  • Drittens: Die Bahn hat erkannt, dass eine unterirdische Bauweise auch ihr Vorteile bringt. Die Strecke wird ein wenig kürzer, hat weniger Kurven, weniger Steigungen und Gefälle. Das spart den ICE Zeit, hilft dem schweren Güterverkehr – und würde natürlich den Widerstand in der Region mindern.
  • Und schließlich und entscheidend viertens: Letztlich muss der Bundestag oder der zuständige Verkehrsausschuss politisch sagen, ob die zu erwartenden Mehrkosten im Vergleich zur Bagger-Variante angemessen und vertretbar sind.

Siehe auch:

  1. Warum der Tunnel die Konsenstrasse schlug
  2. Der Protest in Lampertheim gegen die ICE-Trasse

8. November 2022

Planfeststellungsverfahren zwischen Zeppelinheim und Weiterstadt muss von vorne beginnen

Die Planung für den ersten Abschnitt der Neubaustrecke Frankfurt – Mannheim ist empfindlich zurückgeworfen. Das im November 2021 gestartete Feststellungsverfahren muss von vorne beginnen. Das berichten die Zeitungen der Echo-Gruppe unter der Überschrift „Rückschlag für Bahn bei ICE-Trasse“ (Bezahltext). Auch die Frankfurter Rundschau hat inzwischen das Thema aufgeschrieben (frei abrufbar).

Konkret habe das Eisenbahnbundesamt bemängelt, dass die Planung von veralterten Zugzahlen ausgehe. Vertreter südhessischer Landkreise und Großstädte hatten im Frühjahr 2021 ähnlich argumentiert. Die Argumentation könnte grundsätzliche Bedeutung haben und auf andere Projekte ausstrahlen.

Auch das Thema Ausgleichsflächen werde vom Eisenbahnbundesamt aufgerufen, heißt es in dem Bericht. Daraufhin habe die Bahn ihren Antrag zurückgezogen. Nun würden Gutachten überarbeitet.

Nach den Recherchen muss die Bahn ferner ein Zielabweichungsverfahren anstoßen, weil die Trasse in ihrer geplanten Ausführung nicht den Zielen des Regionalplans Südhessen entspreche.


21. Oktober 2021, aktualisiert am 8. Dezember 2022

Neubaustrecke Frankfurt – Mannheim: Zeitplan für die Bauabschnitte

Die Planung der Bahn unterteilt die Neubaustrecke Frankfurt – Mannheim in fünf Abschnitte. Grundregel: je nördlicher, desto schneller wird das Projekt vorangetrieben. Hier der aktuelle Zeitplan.

Zeitplan
Zeitplan

Abschnitt 1

Zeppelinheim bei Frankfurt bis Darmstadt Nord einschließlich Nordanbindung Darmstadt

Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim, Abschnitt 1: Zeppelinheim bis Darmstadt Nord

Die Strecke verläuft im Wesentlichen oberirdisch östlich der Autobahn 5. Die Autobahn-Anschlussstelle Langen wird in einem Trog unterfahren. Auch für die Nordanbindung Darmstadts ist ein Trog vorgesehen, damit sich die Züge nicht in die Quere kommen. (Klick auf die Karten – Quelle: DB – bringt eine größere Version.)

Die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren wurden beim Eisenbahn-Bundesamt eingereicht, aber zurückgewiesen. Ziel ist, so möglichst früh den Hessenexpress zwischen Wiesbaden, Frankfurt-Flughafen und Darmstadt auf den Weg bringen zu können.

Abschnitt 2

Darmstadt Nord bis Pfungstadt

Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim, Abschnitt 2: Darmstadt Nord bis Pfungstadt

Diesen Bereich kennzeichnet die Untertunnelung der Autobahn-Anschlussstelle Weiterstadt und ein folgender Trog am Autobahnkreuz Darmstadt. Vor Pfungstadt stößt die Südanbindung Darmstadts entlang der Eschollbrücker Straße auf die Hauptgleise östlich der Autobahn 67. Auch die Güterverkehrsanbindung bei Weiterstadt in Richtung Mainz wird in diesem Abschnitt geplant.

Abschnitt 3

Pfungstadt bis Gernsheim

Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim, Abschnitt 3: Pfungstadt bis Gernsheim

Die Strecke verläuft weiter östlich der Autobahn 67 mit einem längeren Trog bei Eschollbrücken, Eich und Hahn.

Hier gibt es eine Besonderheit in der Planung: Die neuen Gleise werden gemeinsam mit dem sechsspurigen Ausbau der A67 organisiert. Die Planfeststellungsunterlagen sollen im vierten Quartal 2022 beim Eisenbahn-Bundesamt eingereicht werden.

Abschnitt 4

Gernsheim bis Einhausen/Lorsch

Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim, Abschnitt 4: Gernsheim bis Einhausen/Lorsch

Identisch wie Abschnitt 3. Wurde wohl nur deshalb ein eigener Abschnitt, weil hier laut ein Tunnel in der Höhe von Bensheim-Landwaden gefordert wird.

Abschnitt 5/6

Einhausen/Lorsch bis Mannheim-Waldhof

Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim, Abschnitt 5/6: Einhausen/Lorsch bis Mannheim-Waldhof

Tunnel bei Lorsch zur Unterquerung der A67, kurzes oberirdisches Stück im Wald bei Lorsch, Tunnel bis Mannheim-Blumenau.

Neubaustrecke Mannheim – Karlsruhe

Fortführung in Mannheim: Dieses Thema gehört organisatorisch in ein völlig anderes Projekt, nämlich die Neubaustrecke Mannheim – Karlsruhe. Auch hier gibt es ein Forum zur Bürgerbeteiligung. Eine Präsentation zeigt, dass eine der angedachten Möglichkeiten ein Tunnel von Mannheim-Waldhof quer durch die Stadt bis zum Rangierbahnhof ist.

Planungen für die Neubaustrecke Mannheim-Karlsruhe bei Mannheim. Planungen für die Neubaustrecke Mannheim-Karlsruhe bei Mannheim. (Karte: DB)

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Ein mehr als zehn Kilometer langer Tunnel unter dem Lampertheimer Wald und auch den Äckern der Spargelstadt – mit dieser „Vorzugsvariante“ für die Neubaustrecke der Bahn rund um Neuschloß hätte noch vor nicht allzulanger Zeit kaum jemand gerechnet. Klar, es ist ein Kompromis: Die Bahn bekommt die schnellste Route, der Region bleibt – von den Bauarbeiten abgesehen – die Zerschneidung erspart.

Aber immerhin kostet diese Lösung 320 Millionen Euro extra (im Vergleich zur Variante durch den Wald ohne Tunnel). Und deshalb ist es schon interessant zu wissen, wie es am Ende zu dieser Route kam. Und welche Argumente aus unserer jahrzehntelangen Debatte sich durchsetzen konnten – und welche platzten wie Seifenblasen.

Die untersuchten Varianten

Schauen wir uns zunächst an, welche Varianten verglichen wurden.

Die mit „e“ gekennzeichneten Routen führen durch den Lampertheimer Wald.
– „e1“ ist die oberirdische Version, die den Wald dauerhaft zerschneidet.
– „e2“ enthält Tunnel nur dort, wo unbedingt nötig: hinter Lorsch, um die Autobahn zu durchqueren, und im Bereich eines Vogelschuzgebiets im Lampertheimer Wald.
– „e3“ ist der lange Tunnel, der schließlich zur Vorzugsvariante wurde.

Die mit „f“ gekennzeichneten Routen verlaufen parallel zu den Autobahnen 67 und 6, mit einem Knick am Viernheimer Kreuz.
– „f1“ östlich der A67 oberirdisch.
– „f2“ östlich der A67 weitgehend in einem Tunnel.
– „f3“ westlich der A67 oberirdisch.
– „f4“ westlich der A67 weitgehend in einem Tunnel.
– „f5“ westlich der A67 mit hinter der A67-Unterquerung verlängertem Tunnel (Lärmschutz Lorsch) und einem etwas kürzerem Tunnel am Viernheimer Dreick. Das ist die Bergsträßer Konsenstrasse, die auch die Bila forderte.

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Die Bewertung der Varianten

Springen wir gleich zur Zusammenfassung (mit Klick auf die Tabelle die Großansicht aufrufen).

 

Wenig überraschend sind alle rein oberirdischen Varianten (e1, f1, f3) rot-dominiert. Von den f-Tunnelvarianten schneidet jene östlich der A67 (f2) etwas besser ab als die westliche (f4). Bei den Neuschlößer e-Trassen fällt auf, wie wenig der kurze Tunnel (e2), beschränkt auf das Vogelschutzgebiet, punkten kann. Der Neuschlößer Langtunnel sticht grün heraus.

Wie kommt diese Bewertung zustande? Ganz entscheidend sind dafür Naturschutzgebiete in unserem Wald. Dort gelten scharfe Vorschriften: die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Gebiete) zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, die Vogelschutzrichtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten und die Regeln für den FFH-Lebensraumtyp „begrenzte Vorkommen, vom Verschwinden bedroht“. Wenn ein Bauprojekt ein FFH-Gebiet kreuzen soll, aber auch eine Variante ohne Beeinträchtigung des FFH-Gebiets denkbar wäre, schreibt der Gesetzgeber rigide vor, dass die Alternative zu nehmen ist.

Ohne gebohrten Tunnel keine F-Varianten

Diese harten Umweltvorschriften bedeuten das Aus für sämtliche Varianten über das Viernheimer Dreieck. Für die oberirdischen sowieso – aber auch für die drei Tunnelvarianten einschließlich der Bergsträßer Konsenstrasse. Denn: Da die Tunnel nicht unterirdisch gebohrt, sondern ausgegraben werden sollen, würden schon die vorübergehenden Bauarbeiten zu große Eingriffe in die Naturschutzgebiete darstellen, heißt es in der Präsentation der Bahn für das Beteiligungsforum.

Die bergmännische (gebohrte) Form der Tunnel hat die Bahn nicht geprüft – vermutlich weil sie die Kosten enorm in die Höhe treiben und die Variante damit unrealistisch würde. Klar ist aber: Sollte tatsächlich ein gebohrter Tunnel eine Chance haben, würde er natürlich den kürzesten Weg nehmen. Damit scheiden die F-Varianten auch für die Form des bergmännischen Tunnels aus.

Auch auf dem Weg der Neuschloßtrasse liegt ein Vogelschutzgebiet – weshalb an dieser Stelle die oberirdische Variante e1 ausscheidet. Zugleich dürfte das die Geburtsstunde von e2 sein: kurzer Tunnel nur unter dem Vogelschutzgebiet. Und damit läuft das Schlussrennen nun zwischen kurzem und langem Tunnel.

Und zwar so: Der kurze Tunnel (e2) bekommt, wenig überraschend, genau wie Neuschloß komplett oberirdisch (e1) schlechte Noten wegen der Lärmbelastung in Neuschloß – ein Kriterium, das stark wiegt. Außerdem gilt unser Wald als Vorranggebiet für vorbeugenden Hochwasserschutz und potenziell aktive Ventilationsfläche und Kaltluftentstehungsgebiet. Die letzteren Dinge seien eigentlich „weniger entscheidungsrelevant“, schreibt die Bahn. Sie könnten aber „beim Vergleich fast gleichwertiger Varianten ein Abwägungsargument“ sein – das deutet an, wie knapp das Rennen ist. Das am Ende der lange Tunnel gewinnt.

(Komplette Ansicht mit Klick auf die Grafik)

Zusammenfassung

Zusammengefasst heißt das: Das Argument des Umwelt- und Klimaschutzes spricht gegen die Konsenstrasse – und für die untertunnelte Route vorbei an Neuschloß. Will man unterirdisch bohren statt ausgraben, müsste der zu erwartende Zusatznutzen das dafür nötige Steuergeld rechtfertigen. Das dürfte nicht einfach zu erklären sein.

Grafiken und Visulation: Deutsche Bahn. 
Als PDF-Download gibt es die komplette Präsentation.

Lampertheim hat erneut gegen eine ICE-Trasse quer durch den Wald und über die Felder der Heide protestiert. Große rote Luftballon kennzeichneten die Strecke. Auf den Feldwegen gab es sieben Stationen, an denen die Stadt, Landwirte, Neuschlößer Bürgerinnen und Bürger, Gewerbetreibende und Vereine ihre jeweilige Betroffenheit aufzeigten. Die Veranstaltung hatte vor allem informativen Charakter – trotz der jahrzehntelangen Debatte wächst das Interesse an dem Thema.

Zu Fuß, mit dem Fahrrad oder bequem in Anhänger: Auf den Spuren der C-Trasse.
Zu Fuß, mit dem Fahrrad oder bequem in Anhänger: Auf den Spuren der C-Trasse.

Die Aktion dauerte sechs Stunden und zog sich über mehrere Kilometer. Entsprechend lässt sich die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer schätzen. Die Angaben schwanken zwischen Hunderte (Südhessen Morgen) und 3500 (Veranstalterin Bila).

Groß war in jedem Fall die Resonanz. Die Liste der erschienenen Politikerinnen und Politiker aus allen Ebenen war lang. Neben den Lokalzeitungen berichtete das Hessen Fernsehen und das Rhein-Neckar-Fernsehen. Die von den Veranstaltern gewünschte Öffentlichkeit für die Positionen der Region wurde also erreicht.

Die wichtigen Informationen über das Bahnprojekt lest ihr hier: Sechs Fakten zur ICE-Trasse, die alle Lampertheimer kennen sollten.

Die Stationen.
Die Stationen.

Lampertheimer Wirtschaft gegen ICE-Trasse quer durch den Wald

125 Lampertheimer Unternehmen und Einzelhändler sprechen sich gegen eine Neubaustrecke der Bahn quer durch den Lampertheimer Wald aus. Neben den bekannten umweltpolitischen Argumenten nennen sie wirtschaftliche Gründe. Die Erklärung spricht von einer „Begrenzungstrasse“, die „Chancen der Wirtschaft und Stadtentwicklung an der Ostseite des Stadtgebiets“ stark einschränke.

Zudem senkten Gleise, die an Neuschloß vorbei und über die Lampertheimer Heide-Felder führen, die Lebensqualität. Schon die jahrelange Diskussion über den Trassenverlauf schade Lampertheim. Sie erschwere es lokalen Unternehmen, Beschäftigte zu finden. Denn die Attraktivität des Wohnorts entscheide immer häufiger über die Wahl des Arbeitsplatzes.

„Der Wettbewerb um Mitarbeiter und Fachkräfte ist nicht auf Arbeitsplatz und Entlohnung reduziert, sondern berücksichtigt insbesondere das Umfeld; Standortqualitäten, die sich positiv auf die Work-Life-Balance auswirken“, erläutert das Papier. Unter dem Strich führe C-Trasse „zu einer inakzeptablen Verschlechterung des Wirtschaftsstandortes Lampertheim“.

Erklärung Lampertheimer Unternehmer/innen.
Erklärung Lampertheimer Unternehmer/innen. (Großversion mit Klick auf Bild).

Die Initiative zu der Erklärung ging von fünf Geschäftsleuten aus: Peter Liermann (Vermessungsbüro GEO), Armin Kohler (Rechner Sensors), Stephan Grieser (Grieser Maschinenbau), Carmen Schreckenberger (Florales) und Maria Maron (Cavatappi).

Neuschloss.net dokumentiert die komplette Liste jener Händler und Unternehmen, die mit gegen die Zerschneidungstrasse kämpfen.

Der Südhessen Morgen berichtet, die Pressekonferenz, an der auch Bürgermeister Gottfried Störmer teilnahm, sei bei regionalen Radio- und Fernsehsendern auf große Resonanz gestoßen. Ein Ergebnis ist ein kurzer Bericht des HR-Fernsehens (ab Minute 5.25).

Uwe Rauschelbach kommentiert in der gleichen Zeitung, die Erklärung sei „ein gewichtiges Pfund im Kampf gegen ein Projekt“. Allerdings müsse das Engagement weiter gehen: „Vor diesem Hintergrund könnte es wahrscheinlich nicht schaden, wenn die Lampertheimer Unternehmer nicht nur den Schulterschluss mit Stadt und Bürgerinitiative suchten, sondern zumindest mit den Unternehmern auf Kreisebene, zumal sich die Wirtschaftsförderung des Kreises bereits mit den Kommunen solidarisiert hat.“

Proteste gegen die Zerschneidungstrasse

Lampertheim protestiert seit vielen Jahren gegen die Zerschneidungstrasse – und für eine Route entlang der Autobahnen 67 und 6. Die Kooordination übernimmt dabei die „Bürgerinitiative Lampertheim – Lebensraum vor ICE-Trasse“, die wiederum mit weiteren Initiativen aus der Region vernetzt ist. Im Frühjahr 2019 demonstrierten mehr als 2000 Menschen mit einem Lichterzug gegen die Trassenvariante. Der lokale Bauernverband bereitet sich juristisch vor; man werde „unbequem sein“, kündigt er an. Die Landwirte bauen auf den sandigen Böden der Rheinebene zahlreiche Sonderkulturen an wie Spargel, weiteres Gemüse oder Rollrasen.

„Solche Großprojekte kann man nicht gegen den Willen der Bevölkerung durchsetzen“, sagt Ulrich Guldner, Sprecher der Bila. Der besonders betroffene Stadtteil Neuschloß ist kampferprobt. In den Neunzigerjahren schlossen sich dort mehr als hundert Bürgerinnen und Bürger in einem Verein zusammen, besorgten sich Rechtsbeistand – und setzten so eine gut 90 Millionen Euro teure Altlastensanierung durch.

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Leicht mediale Verwirrung: Der Südhessen Morgen macht die Zeitung damit auf, dass die Deutsche Bahn „erstmals“ drei Trassenvarianten für den Verlauf der Neubaustrecke Frankfurt – Mannheim bei Lampertheim nenne. Im Wirtschaftsteil heißt es, die Planung komme voran.

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich freilich: Ganz so unbekannt ist das alles nicht, was das jüngste Treffen des Beteiligungsforums besprochen hat: Die Gleise könnten demnach a) mehr oder weniger gebündelt an der A67 und A6 liegen, b) entlang der A5 und vor Weinheim in Richtung Viernheim und A6 abbiegen – oder eben c) quer durch unseren Wald und dicht vorbei an Neuschloß verlaufen.

„Das ist der Stand, der seit etwa zehn Jahren bekannt ist“, erläutert Ulrich Guldner, einer der Sprecher der „Bürgerinitiative Lampertheim – Lebensraum vor ICE-Trasse“, im Gespräch mit Neuschloss.net. Er war in der Sitzung des Beteiligungsforums dabei. Dass die faktisch längst außen vorgelassene Variante einer A5-Bündelung plötzlich wieder auftaucht, zeige, dass es der Bahn im aktuellen Stadium vor allem darum gehe, noch einmal systematisch alle denkbaren Varianten einzubringen – um das Verfahren juristisch abzusichern. Es gebe aber keinerlei inhaltliche Weiterentwicklung.

Die freilich ist durchaus zu erwarten – und zwar im kommenden Treffen des Beteiligungsforums im April. „Dann beginnt die Bewertung der drei Trassen“, erklärt Guldner. Zunächst gehe es darum, welche Variante die Beste sei – gemessen an bestimmten Kriterien. Die Bila werde die Auswahl dieser Kriterien kritisch beobachten. Sollte – was wahrscheinlich ist – am Ende stehen, dass eine Variante ohne Waldzerschneidung zwar möglich, aber teurer ist, müssten die Abgeordneten des Bundestages davon überzeugt werden, dass die Mehrkosten sinnvoll angelegt sind.

Upate: Eine Präsentation der Deutschen Bahn (pdf) erläutert diese politische Komponente, die nach einer Gesetzesänderung seit Anfang 2018 möglich ist. Eine vom Beteiligungsforum zu gründende Arbeitsgruppe „Parlamentarische Befassung“ soll die Forderungen der Region bündeln. Dazu gehört auch eine „Vorzugsvariante“. Alle Erkenntnisse und Ergebnisse bespricht das Beteiligungsforum und stimmt darüber ab. Das Bundesverkehrsministerium erhält von der Bahn die abgestimmten Forderungen, die dann zusammen mit einer Beschreibung und Gesamtbewertung des Projektes an das Parlament gehen.

Für Lampertheim und Neuschloß ist also wichtig, die Bundespolitik zu überzeugen. Genau das ist das Anliegen des geplanten Lichterzugs der Bürgerkammer durch den Wald am Freitag, 1. März. Er soll der Politik signalisieren, wir wichtig den Bürgerinnen und Bürgern ein solcher Beschluss wäre.