Es ist ein Jahrzehnte-Projekt: Eine Neubaustrecke der Bahn zwischen Frankfurt und Mannheim soll das größte Nadelöhr im deutschen Fernverkehr und europäischen Güterverkehr beseitigen. Lampertheim und der Stadtteil Neuschloß sind besonders betroffen.
- Das Beteiligungsforum hat in vier Jahren mehr als 30 mögliche Trassenführungen erarbeitet, untersucht und bewertet. Nun steht der Verlauf der Vorzugsvariante fest.
- Die Wunschtrasse von Ried und Bergstraße entlang des Viernheimer Dreiecks ist vor allem wegen des Naturschutzes durchgefallen. Stattdessen soll es einen Tunnel zwischen Lorsch und Mannheim geben, der einen Großteil des Waldes, Neuschloß und die Felder der Lampertheimer Heide durchquert.
- Umstritten ist die Bauweise des Tunnels. Die Bahn will ausgraben, betonieren und wieder Erde auffüllen; vor Ort wird der Wunsch nach einer unterirdisch gebohrten Variante laut.
Ein bergmännischer Tunnel bei Lampertheim ist noch nicht vom Tisch. Das ist das Ergebnis einer Pressekonferenz der Deutschen Bahn, in der sie den kompletten Verlauf der Vorzugstrasse für die Neubaustrecke zwischen Mannheim und Frankfurt vorgestellt hat. Zwar ist darin wie im vergangenen Dezember verkündet ein Tunnel in offener Bauweise eingeplant. Zugleich machten hochrangige Manager der Bahn deutlich, dass im Frühjahr über weitergehende „regionale Forderungen für die parlamentarische Befassung“ beraten werden soll.
Nach einem Workshop im Dezember wird es dazu von Januar bis April nächsten Jahres vier Treffen des Beteiligungsforums geben. In dieser Runde sind Kommunen, Landkreise, Behörden und Ministerien genauso vertreten sind wie Umwelt- und Fahrgastverbände oder Bürgerinitiativen, unter anderem die Bila.
Der hessische Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, Tarek Al-Wazir (Grüne), betonte, es sei der Bundestag, der über Zusatzausgaben entscheide. Es gelte, dazu insgesamt schlüssige Konzepte vorzulegen.

Gerd-Dietrich Bolte, Leiter Infrastrukturprojekte Mitte der DB Netz, präzisierte, das Beteiligungsforum werde nach einer Diskussion alle Forderungen festhalten. Allerdings müssten die einzelnen Punkte so überzeugend sein, dass Abgeordnete des Bundestages sie ins Parlament einbringen, das dann darüber beschließen müsse.
Projektleiter Jörg Ritzert erläuterte mit Blick auf den Lampertheimer Tunnel, die Bahn werde die Mehrkosten gemeinsam mit der Region ermitteln. „Aktuell ist eine offene Bauweise wirtschaftlicher. Sollte sich herausstellen, dass die bergmännische Lösung billiger ist, würden wir ohnehin umschwenken.“ Daraus lässt sich ableiten, dass die bergmännische Lösung bisher gar nicht durchgerechnet ist. Sie wurde bisher stets als deutlich teurer eingeschätzt.
Die Deutsche Bahn will nach den bisherigen Plänen zwischen Lorsch und Mannheim eine bis zu 15 Meter tiefe Grube graben, den Tunnel einbetonieren und wieder mit Erde bedecken. Unter anderem der lokale Forst hatte sich dagegen eine bergmännische Lösung gewünscht, bei der von den Arbeiten im Wald wenig zu spüren wäre.
Bahn-Neubaustrecke Frankfurt – Mannheim: Verlauf

Die Neubaustrecke Rhein/Main–Rhein/Neckar beginnt südlich von Frankfurt an der Südseite des Bahnhofs Zeppelinheim und verläuft bis zur Autobahn 5 parallel zur Riedbahn. Dann geht ist östlich entlang der A 5, vorbei am Darmstädter Kreuz und weiter östlich der A 67. Bei Lorsch unterquert die Strecke die Autobahn in einem Tunnel. Es folgt ein oberirdisches Stück in den Wald.
Auf Höhe des Lampertheimer Gescheids, wo ein Vogelschutz beginnt, gehen die Gleise wieder in einen Tunnel, der den restlichen Wald, Neuschloß und die Lampertheimer Felder der Heide unterquert. Im Mannheimer Norden taucht die Strecke wieder auf und schließt an die Riedbahn an. Diese Route ist nun die so genannte Vorzugsvariante für die folgenden Planrechtsverfahren.
Bahn-Neubaustrecke Rhein/Main–Rhein/Neckar: Darmstadt-Anbindung
Der Darmstädter Hauptbahnhof wird aus nördlicher Richtung mit zwei Gleisen, in südliche Richtung mit einem Gleis angeschlossen. Hier ist ein Tunnel entlang der Eschollbrücker Straße geplant. Weil die Trasse mehr als 12,5 Prozent steigt, kann sie nicht vom Güterverkehr benutzt werden, was die Darmstadt freuen dürfte. Die Güterverkehrsstrecke aus Mainz fädelt bei Weiterstadt direkt auf die Hauptroute ein.
Die neu zu bauende Strecke ist insgesamt 57,8 Kilometerlang, davon entfallen 12,7 Kilometer auf Tunnel und 7,2 Kilometer auf Tröge.
Als Vorzüge der Trasse gibt die Bahn an, die Fahrzeiten passten zum Deutschlandtakt. Der HessenExpress – eine schnelle Verbindung von Darmstadt – Frankfurt-Flughafen und Wiesbaden – sei vorzeitig möglich. Zudem gebe es Synergien, weil mit den Gleisen auch der Ausbau der Autobahn 67 bewerkstelligt werden könne.
„In den vergangenen vier Jahren wurden mehr als 30 verschiedene mögliche Trassenführungen erarbeitet, untersucht und bewertet. Nun steht fest, welche Lösung unter Abwägung aller Vor- und Nachteile am besten abschneidet“, heißt es in einer Mitteilung der Bahn.

Die Bahn veröffentlichte (PDF-Datei) im Internet alle verbliebenen Varianten, die sich im Wesentlichen in der Anbindung Darmstadts unterscheiden.
Bahn-Neubaustrecke Frankfurt – Mannheim: Tunnel bei Lampertheim-Neuschloß
Die Bahn hatte im Beteiligungsforum im Dezember 2019 einen Tunnel zwischen Lorsch und Mannheim vorgeschlagen. Er unterquert in fünf Meter Tiefe den Lampertheimer Wald und die wertvollen sandigen Felder der Spargelstadt. „Die Menschen werden von dem Eisenbahnverkehr nichts sehen und hören“, versprach Gerd Dietrich Bolte, bei der Deutschen Bahn für Großprojekte zuständig. Landwirte könnten nach der Fertigstellung ihre Äcker wie gewohnt bewirtschaften. Im Wald sei ein „waldähnlicher Bewuchs“ möglich. Die Mehrkosten gegenüber oberirdischen Gleisen liegen bei 320 Millionen Euro.
Siehe auch unsere Analyse: Warum der Tunnel die Konsenstrasse schlug

Die Reaktionen: Lampertheims Bürgermeister Gottfried Störmer sagte der Frankfurter Rundschau, es sei positiv. „dass die Bahn unseren Gedanken zur Tunnellösung aufgenommen hat“. Ulrich Guldner, Sprecher der Bürgerinitiative Lampertheim (Bila) erklärte, „die große Katastrophe für Lampertheim“ sei ausgeblieben.
Christian Engelhardt, Landrat des Kreises Bergstraße, erinnerte aber daran, dass ein bergmännischer Tunnel auf dem Forderungskatalog der Region stand. Die Bahn will nicht unterirdisch bohren, sondern bis zu 15 Meter tiefe Gruben graben, die Tunnel bauen und wieder mit Erde bedecken. Auch Teilen der Bila gefällt dieses Vorgehen nicht. Der Lampertheimer Forst sieht einen einzugrabenden Tunnel ebenfalls skeptisch.
Siehe auch: Der Protest in Lampertheim gegen die ICE-Trasse
Streitpunkt ist zudem ein 2,8 Kilometer langes Stück bei Lorsch, das oberirdisch geführt werden soll. Von der 14,8 Kilometer langen Strecke sollen insgesamt 10,2 Kilometer untertunnelt werden, 1,8 Kilometer in einem Trog liegen.
ICE-Trasse Frankfurt – Mannheim: Aus für Bergsträßer Konsenstrasse
Mit der Tunnellösung darf die bisher als Konsenstrasse diskutierte Route über das Viernheimer Dreieck als vom Tisch betrachtet werden. Sie wird in der Untersuchung aus Naturschutzgrünen selbst für jenen Fall nicht als genehmigungsfähig gesehen, dass sie komplett bergmännisch untertunnelt würde. Mit dieser Route wollte die Region eine Zerschneidung des Lampertheimer Walds vermeiden.
Die Festlegung auf die Konsenstrasse passte nicht zur Idee des Beiteiligugsforums, abschnittsweise die jeweils ideale Route abzuwägen. Erst als die Politik in Südhessen und Mannheim signalisierte, auch mit alternativen Lösungen einverstanden zu sein, die die gleichen Ziele erfüllen, gab es Bewegung. Ergebnis war der zehn Kilometer lange Tunnel von Lorsch bis Mannheim, mit dem in der jahrzehntelangen Debatte vorher niemand gerechnet hatte.
Neubaustrecke Rhein/Main–Rhein/Neckar: Betriebskonzept
Die Strecke Frankfurt – Mannheim ist das große Nadelöhr im Bahnnetz. Dort treffen wichtige ICE-Linien zusammen (in den Richtungen Hamburg, Berlin, Köln, Basel, Paris und München), der internationale Güterverkehr und der Nahverkehr. Bisher fahren die meisten ICE auf der nur teilweise bis Tempo 200 ausgebauten Riedbahn über Biblis, ein Großteil des Güterverkehrs rollt über die Main-Neckar-Bahn durch Darmstadt und entlang des Odenwalds.
Künftig würden ICE tagsüber auf den neuen Gleisen einige Minuten schneller sein als bisher, nachts würde dort der Güterverkehr rollen. Die Gleise verbinden die bestehenden Hochgeschwindigkeitsstrecken nach Köln und Stuttgart und sind wichtige Voraussetzung für den geplanten Deutschlandtakt.
Die Trassenfrage: Dank Mehdorn hochpolitisch
Die Trassenfrage ist in der Metropolregion Rhein-Neckar hoch politisch. Als der seinerzeitige Bahnchef Hartmut Mehdorn vorgeschlagen hatte, Fernzüge nicht an jeder Milchkanne halten und deshalb an Mannheim vorbei fahren zu lassen, geriet die Quadratestadt in Panik. Damit die Runde über den Hauptbahnhof die ICE nicht zu lange aufhält, riet Lothar Mark, damals Mannheimer SPD-Bundestagsabgeordneter, dazu, die Trasse quer durch den Lampertheimer Wald zu legen. Südhessen war derart brüskiert. dass das politische Zusammenwachsen der Region ins Stocken geriet. Erst viele Jahre später entwickelte man einen gemeinsamen Vorschlag.